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GD — Gesellschaft für Dermopharmazie e.V.

   
 

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  Ausgabe 2 (2006)

Dermatotherapie
Datenerhebung zur Versorgungsrealität unter Alltagsbedingungen

Dermatologie beginnt mit der Umsetzung einer zeitgemäßen Versorgungsforschung


Bericht von Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel

Im internationalen Vergleich ist die Versorgungsforschung in Deutschland bisher wenig entwickelt. Sie bildet aber eine Voraussetzung für aussagekräftige Bewertungen zum Nutzen von Therapiekonzepten und Arzneimittelanwendungen. Erfreulicherweise wurden in der Dermatologie bereits einzelne Projekte angestoßen, die zur Grundlage für eine weitreichende Entwicklung werden könnten. Welche Perspektiven die Versorgungsforschung bietet und wie sie bisher in der deutschen Dermatologie umgesetzt wird, wurde beim Symposium „Gesundheitsökonomie in der Dermatologie“ im Rahmen der 10. GD-Jahrestagung am 4. und 5. April 2006 in Münster deutlich.

Die Versorgungsforschung bildet eine unverzichtbare Datenquelle für die Bewertung des Nutzens der Arzneimittelanwendung und anderer medizinischer Verfahren. Die darauf aufbauenden Kosten-Nutzen-Bewertungen dienen wiederum in vielen Ländern als Grundlage für Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit.

Professor Dr. Dr. Reinhard Rychlik, Burscheid, zeigte die Diskrepanz zwischen der Nutzenbewertung, wie sie in Deutschland im Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vorgenommen werden soll, und den international verbreiteten Vorgehensweisen auf.

Als Datenbasis für die Nutzenbewertung werden üblicherweise unterschiedliche prospektive experimentelle und beobachtende, aber auch retrospektive Untersuchungen, Metaanalysen und Modelle herangezogen. Neben der Wirkung in artifiziellen Studiensituationen haben Daten zur Wirksamkeit von Arzneimitteln unter Alltagsbedingungen in der Versorgungsforschung große Bedeutung.

Professor Dr. Dr. Reinhard Rychlik gilt als einer der führenden deutschen Experten auf dem Gebiet der Gesundheitsökonomie. Neben seiner Hauptfunktion als Direktor des Instituts für empirische Gesundheitsökonomie in Burscheid lehrt er Gesundheitsökonomie im Studiengang Medizin an der Ruhr-Universität Bochum. Außerdem ist er Sachverständiger des Deutschen Bundestages und Gutachter der EU im Bereich Public Health und Gesundheitsökonomie.

Deutscher Sonderweg bei
der Nutzenbewertung


Bedauerlicherweise wurde der Nutzenbegriff für die Bewertung in Deutschland weder im GMG definiert noch in einem wissenschaftlichen Diskurs hinreichend konkretisiert. Die bisherigen Veröffentlichungen des IQWiG und die gesetzliche Neuregelung im AVWG fordern eine Nutzenbewertung anhand von Kriterien der evidenzbasierten Medizin und damit klinische Studien zum direkten Vergleich patientenrelevanter Endpunkte.

Damit dürften viele andere relevante Perspektiven und Bewertungsmaßstäbe unberücksichtigt bleiben, die gemäß internationalem Konsens zu einer umfassenden pharmakoökonomischen Betrachtung gehören. Insbesondere werden mit solchen Evaluationen nicht die Kosten erfasst, obwohl die vergleichende Bewertung von Kosten und Nutzen eine ökonomische Selbstverständlichkeit darstellt.

Stattdessen sollen die Kosten in Deutschland erst in einer umfassenderen Betrachtung vom Gemeinsamen Bundesausschuss berücksichtigt werden, der daraufhin beispielsweise die Arzneimittelrichtlinien anpassen oder über die Zuordnung eines Arzneimittels zu einer Festbetragsgruppe entscheiden kann.

Angesichts dieser Konzeption fördere das AVWG weiterhin Preisdiktat und Budgetierung, so Rychlik. Dagegen erwartet er, dass eine Nutzenbewertung auf der Grundlage einer Versorgungsforschung nach international üblichem Standard die Versorgungsqualität verbessern und Ressourcen einsparen würde.

Im Verlauf der weiteren gesundheitspolitischen Diskussion zeichnet sich inzwischen in einem Punkt eine stärkere Orientierung an international übliche Vorgehensweisen ab. So wurden bei der ersten Formulierung der Eckpunkte für eine spätere Gesundheitsreform, die vor der parlamentarischen Sommerpause veröffentlicht wurde, Kosten-Nutzen-Analysen als neuer Auftrag für das IQWiG angekündigt.

In Verbindung mit der von Rychlik vorgebrachten Kritik an der unzureichenden Datenbasis für die Analyse und der mangelnden Berücksichtigung der Versorgungsforschung könnte dies aber auch die dargestellten Probleme weiter verschärfen.


Unter der Leitung von Professor Dr. Matthias Augustin (rechts), der zusammen mit dem GD-Vorsitzenden Dr. Joachim Kresken das Symposium zur Gesundheitsökonomie moderierte, wurde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ein Kompetenzzentrum für die Versorgungsforschung in der Dermatologie eingerichtet. Dort sollen belastbare Daten zur Versorgungsrealität von Hautkranken unter Alltagsbedingungen ermittelt werden.

Versorgungsdaten für
die Dermatologie

Dies gilt umso mehr, als sich auch durch neue Gesetze der Mangel an Versorgungsdaten und etablierten Strukturen zur Erhebung solcher Daten nicht kurzfristig beheben lässt. Auch Professor Dr. Matthias Augustin, Hamburg, beklagte, dass nur wenige systematisch erhobene Daten über den Versorgungsbedarf und die Versorgungsqualität verfügbar sind.

Vielmehr findet Versorgungsforschung in Deutschland bisher überwiegend im Rahmen einzelner Projekte zu stark fokussierten Fragestellungen statt. Bis zum Frühjahr 2006 ermittelte Augustin für die Dermatologie 101 Projekte von 35 Arbeitsgruppen. Inhaltlich geht es dabei um Aspekte der Pharmakoökonomie, der Lebensqualität und der Outcomes medizinischer Interventionen bei Hautkrankheiten unter alltäglichen Behandlungsbedingungen.

Bei 23 Prozent von 50.000 untersuchten Berufstätigen wurde ein behandlungsbedürftiger dermatologischer Befund erhoben. Noch immer fehlen zuverlässige Daten zur Prävalenz bedeutender Hauterkrankungen. Aufgrund von Schätzungen werden in Deutschland 3 bis 4,5 Millionen Patienten mit atopischem Ekzem, 3 Millionen mit Akne, 1,6 bis 2 Millionen mit Psoriasis vulgaris, 8 bis 10 Millionen mit Venenerkrankungen und 6 bis 8 Millionen mit Rhinitis allergica vermutet.

Gemäß einer bundesweiten Studie ist bei 21 Prozent der Psoriasispatienten eine begleitende Arthritis anzunehmen. Die bisher vorliegenden Ergebnisse lassen eine Tendenz zur Unterversorgung erkennen, insbesondere für moderne Behandlungsansätze bei chronisch-entzündlichen Dermatosen.

Neues Kompetenzzentrum
für Versorgungsforschung
Als Einstieg in eine möglichst breit angelegte und damit aussagekräftige Versorgungsforschung für die Dermatologie in Deutschland stellte Dr. Lisa Zimmer, Hamburg, das am 1. Oktober 2005 gegründete „Competenzzentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie“ (CVderm) vor. Es wird von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen unterstützt und ist unter der Leitung von Professor Augustin als Forschungsschwerpunkt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf angesiedelt.


Dr. Lisa Zimmer berichtete über geplante und schon abgeschlossene Projekte des am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eingerichteten Zentrums für dermatologische Versorgungsforschung. Als Erhebungsquelle für dermatologische Daten will sie demnächst auch das im Aufbau befindliche Apothekennetzwerk der GD nutzen.

Dort sollen belastbare Daten zur Versorgungsrealität unter Alltagsbedingungen ermittelt werden, die eine wichtige Voraussetzung zur Steuerung der Ressourcenallokation im Gesundheitswesen bilden. Als Projekte des CVderm wurden bisher eine Erhebung zum Versorgungsstand des atopischen Ekzems bei Schulkindern in Schleswig-Holstein, zur Versorgungsqualität bei chronischen Wunden und zur Epidemiologie und Prognoseforschung für Hautkrankheiten initiiert.

Darüber hinaus soll gemeinsam mit der GD ein Netzwerk „hautkompetenter“ Apotheken aufgebaut werden, in denen eine Beratung nach qualitätsgesicherten Konzepten angeboten wird (siehe dazu auch den Bericht auf den Seiten 4 und 5). Sie sollen zugleich als breit angelegte Erhebungsquelle für dermatologische Daten dienen und dabei insbesondere Informationen über Patienten mit leichteren oder nicht hinreichend diagnostizierten Hauterkrankungen bieten, die an anderer Stelle im Gesundheitswesen nicht erfassbar wären.

Patientennutzen bei der
Vakuumtherapie von Wunden
Als erfolgreiches Beispiel für die vielfältigen Projekte, die bereits an unterschiedlichen Zentren im Rahmen der Versorgungsforschung realisiert wurden, präsentierte Dr. Katharina Herberger, Hamburg, Ergebnisse zur Vakuumtherapie akuter und chronischer Wunden.


Als Beispiel für ein Projekt der dermatologischen Versorgungsforschung stellte Dr. Katharina Herberger als Vertreterin der Forschungsgruppe von Professor Augustin die Ergebnisse einer multizentrischen Studie zum Nutzen der Vakuumtherapie von Wunden vor.

Während die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Therapie hinreichend belegt wurde, fehlten bisher systematische Untersuchungen zum Patientennutzen, obwohl gerade dieser ein wesentlicher Vorteil des Verfahrens ist. So wurden in einer prospektiven multizentrischen offenen Beobachtungsstudie 264 Patienten mit Wunden jeglicher Art untersucht, davon 42 Prozent mit chronischen und 46,6 Prozent mit akuten, meist postoperativen Wunden. Es konnten 176 abgeschlossene Datensätze generiert werden.

Anhand des Wundstatus, der Lebensqualität, gemessen mit dem Freiburg Life Quality Assessment, und eines eigens entwickelten Konzepts für den patientendefinierten Nutzen wurden eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität und eine hohe Akzeptanz der Vakuumtherapie ermittelt. Der Gesamtscore für die durchschnittliche krankheitsspezifische Lebensqualität verbesserte sich von 3,3±0,7 auf 2,6±0,7 Punkte (p < 0,001). Für Einzelbereiche der Lebensqualität wie körperliche Beschwerden, Psyche, Alltags-/Berufsleben, Sozialleben und Therapie wurden ebenfalls signifikante Verbesserungen festgestellt (jeweils p < 0,001).

Beim größten Teil der Patienten wurden auch die wichtigsten initial genannten Aspekte des patientendefinierten Nutzens verbessert. Dies waren das Abheilen der Wunde, Schmerzfreiheit, Wiederherstellung der Funktionen des Alltagslebens und das Vertrauen in die Therapie.

Nur 5,7 Prozent der Patienten verwiesen auf Probleme der Therapie, insbesondere hinsichtlich der Geräusche und der Mobilität. Damit erscheint die Vakuumtherapie insgesamt gut geeignet, vielfältige aus Patientensicht relevante Endpunkte zu verbessern. Sie wird daher bei akuten und chronischen Wunden sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Anwendung gut akzeptiert.

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