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GD — Gesellschaft für Dermopharmazie e.V.

   
 

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  Ausgabe 1 (2006)

Dermatotherapie
GD-Symposium zur Gesundheitsökonomie in der Dermatologie

Dermatologische Therapie in Zeiten der Gesundheitsreform

Bericht von Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel

Die Möglichkeiten der dermatologischen Pharmakotherapie werden zunehmend durch die Restriktionen der Gesundheitspolitik begrenzt. Die Sparmaßnahmen des GMG haben sich aufhautkranke Patienten überproportional stark ausgewirkt. Im Rahmen der 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie am 14. und 15. März 2005 in Wien wurden erstmals Daten veröffentlicht, die ein Jahr Erfahrung mit den neuen Regelungen berücksichtigen. Beim gesundheitsökonomischen Symposium der GD-Fachgruppe Dermatotherapie ging es zudem um die möglichen Folgen weiterer gesundheitspolitischer Veränderungen, die durch das neue Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu erwarten sind.


Zunächst verglich Professor Dr. Barbara Sickmüller vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in Berlin die bisherigen Erwartungen zur Arbeit des neu gegründeten deutschen Instituts mit der Regulierung der Arzneimittelmärkte im übrigen Europa. Gemäß einer Umfrage werden klinische und pharmakoökonomische Daten über Arzneimittel in 17 EU-Staaten sowie in Norwegen und in der Schweiz verpflichtend eingefordert.

Sie dienen

  • in Belgien, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Österreich, der Schweiz und Slowenien zur Preisbildung,
  • in Belgien, Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Tschechien und Ungarn zur Regelung der Erstattungsfähigkeit,
  • in England und Wales als Grundlage für Empfehlungen,
  • in weiteren Ländern als freiwillig zu lieferndes Daten material für Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit und Preisregulierung, Wirksamkeit unter realen Bedingungen

Viele Details zur Erhebung pharmakoökonomischer Daten, besonders zur Gestaltung von Modellrechnungen, werden in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt. Üblicherweise wird zwischen der Wirksamkeit unter idealtypischen Bedingungen klinischer Studien („efficacy“) und der Wirksamkeit unter realen Bedingungen („effectiveness“) unterschieden.Letztere kann naturgemäß erst nach der Markteinführung beobachtet werden, da sie auch von Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und der Compliance unter Alltagsbedingungen abhängt.


Professor Dr. Barbara Sickmüller vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) informierte über die Konzepte zur Kostenregulation von Arzneimitteln in verschiedenen europäischen Staaten. Außerdem setzte sie sich kritisch mit den geplanten Aufgaben des mit dem GMG neu eingerichteten Instituts für Qualität
und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auseinander.

Der BPI sehe in der praxisorientierten „effectiveness“ das Kriterium, das die Belange der Patienten am besten ausdrückt, aber die Äußerungen aus dem IQWiG zielten mehr auf die „efficacy“. Da diese jedoch bereits im Zulassungsverfahren zur Nutzen-Risiko-Abschätzung herangezogen wird, solle das IQWiG dieses Verfahren nicht wiederholen. Statt dessen sollten verstärkt Anwendungsbeobachtungen eingesetzt werden, die methodisch allerdings noch weiter entwickelt werden müssten.

Wie transparent ist das IQWiG?


Darüber hinaus sei das angekündigte Verfahren des IQWiG nicht transparent genug. Denn die in der europäischen Transparenzrichtlinie 89/105/EC geforderten Regelungen zu Anhörungsrechten für die betroffenen Unternehmen und zur Notwendigkeit der Begründung von Entscheidungen würden in Deutschland nicht eingehalten. Dagegen werde argumentiert, das IQWiG gebe nur Empfehlungen, doch werde der Gemeinsame Bundesausschuss bei seinen Entscheidungen auf die Bewertung des IQWiG zurückgreifen.


Professor Dr. Matthias Augustin, der an der Hautklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf eine Forschungsgruppe Phamakoökonomie und Lebensqualität leitet, stellte die Ergebnisse einer Langzeitanalyse zu den Kosteneffekten des GMG in der Dermatotherapie vor. Außerdem war er Moderator des Symposiums, das er in seiner Funktion als Leiter der Fachgruppe Dermatotherapie der Gesellschaft federführend organisiert hatte.

Demnach müsse die Arbeit des neuen Instituts sorgfältig beobachtet werden. Nötigenfalls werde die pharmazeutische Industrie die Transparenz des Verfahrens und die Klarheit der Kriterien gerichtlich einklagen, wie dies in einer vergleichbaren Situation vor drei Jahren in Österreich geschehen sei.Demnach müsse die Arbeit des neuen Instituts sorgfältig beobachtet werden. Nötigenfalls werde die pharmazeutische Industrie die Transparenz des Verfahrens und die Klarheit der Kriterien gerichtlich einklagen, wie dies in einer vergleichbaren Situation vor drei Jahren in Österreich geschehen sei.

Rückläufige Dermatika-Umsätze


Die Gründung des IQWiG gehört zu den langfristigen Folgen des GMG. Andere Maßnahmen kamen dagegen schon kurz nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Anfang 2004zum Tragen. Als besonders relevant für die dermatologischen Patienten erweist sich dabei der Ausschluss der OTC-Arzneimittel aus der Erstattungsfähigkeit.

Professor Dr. Matthias Augustin, Hamburg, stellte in Wien erstmals Daten vor, die die Wirkung der neuen Regelungen über ein ganzes Jahr dokumentieren. Demnach stieg der gesamte Arzneimittelumsatz 2004 in Deutschland gegenüber dem Vorjahr um 0,6 Prozent auf 20,2 Milliarden Euro, aber der Umsatz der ATC-Gruppe Dermatika sank im gleichen Zeitraum um 8,6 Prozent auf 558,1 Millionen. Davon wurden nur 263,0 Millionen (24,3 Prozent weniger als im Vorjahr) zu Lasten der GKV verordnet.

Der mittlere Umsatzrückgang für Dermatika betrug bei den Dermatologen 21,2 Prozent und bei den Hausärzten 30,1 Prozent. Für verschreibungspflichtige Dermatika sank der Umsatz um 4,6 Prozent auf 195,2 Millionen und für nicht verschreibungspflichtige sogar um 52,5 Prozent auf 67,8 Millionen Euro. Ob eine Substitution nicht verschreibungspflichtiger durch verschreibungspflichtige Arzneimittel stattfindet, ist stark umstritten und aus den vorliegenden Daten nicht klar ersichtlich.

Hautkranke
sind besonders belastet


Umso klarer sind die finanziellen Auswirkungen für die Patienten. So wird die vielfach notwendige Basistherapie von Hauterkrankungen nicht mehr von der GKV bezahlt. Dadurch ergeben sich bei großflächiger Behandlung von Ichthyosen, Psoriasis oder atopischem Ekzem je nach Schweregrad jährliche Kosten zwischen 150 und 2.500 Euro, die der Patient selbst aufzubringen hat. Für einen extremen Einzelfall wurden sogar Kosten in Höhe von 6.300 Euro ermittelt.

Nach einer Befragung in Hochschulambulanzen gibt die Hälfte der Psoriasispatienten über 600 Euro im Jahr für die Basistherapie aus. In solche Berechnungen gehen aber nur die getätigten Ausgaben ein. Dagegen wird nicht berücksichtigt, welche Ausgaben medizinisch sinnvoll oder notwendig sind, aber wegen fehlender finanzieller Mittel der Patienten unterbleiben.


Ralf Cummerow, Mitglied der Arbeitsgruppe von Professor Augustin an der Universitäts-Hautklinik Hamburg, stellte die Ergebnisse einer Studie zur Effektivität und Wirtschaftlichkeit von Tacalcitol bei Psoriasis vor. Im April 2005 wurde der Arzt und Diplominformatiker, der auch Mitglied der Gesellschaft für Dermopharmazie ist, für seine Arbeit zum Thema „Pharmakoökonomische Methodenstudie zur Erfassung patientenbezogener Nutzwerte: Willingness-to-pay, Patientenpräferenzen und Lebensqualität bei Psoriasis vulgaris" mit dem „Hermal Förderpreis Dermatologie" ausgezeichnet.

Angesichts der hohen Eigenbelastung dürften viele Patienten mit geringem Einkommen die Basistherapie deutlich reduzieren oder ganz unterlassen. Daher erwartet Augustin, dass sich die Krankheiten in vielen Fällen verschlimmern und teurere Arzneimittel erforderlich werden. So werde der Ausschluss der OTC-Arzneimittel aus der Erstattungsfähigkeit die Arzneimittelausgaben der GKV in der Dermatologie langfristig nicht senken können.

Einbußen an Lebensqualität


Nach Einschätzung von Augustin sollte daher stärker verdeutlicht werden, welche hohen Kosten und welche Einbußen an Lebensqualität bei den Betroffenen durch dermatologische Erkrankungen entstehen. Bis vor kurzem konzentrierten sich die pharmakoökonomische und die Lebensqualitätsforschung innerhalb der Dermatologie jedoch nur auf wenige häufige Indikationen.

Erst einige jüngere Arbeiten böten geeignetes Argumentationsmaterial für eine größere Zahl von Hauterkrankungen. Als Beispiel verwies Augustin auf eine Studie von Dr. Ina Zschocke, Hamburg, in der die Krankheitskosten und die Auswirkungen auf die Lebensqualität bei Acne vulgaris, Tinea pedis, Onychomykosen, Verrucae vulgaris und Herpes labialis untersucht wurden. Auch dort konnte gezeigt werden, dass die finanziellen Belastungen der Patienten durch das GMG gestiegen sind.

Komplexe Studiengestaltung


Welche differenzierten Betrachtungen für die pharmakoökonomische Bewertung der Therapien von Hauterkrankungen erforderlich sind, verdeutlichten die Präsentationen von Dr. Andrea Schlöbe und von Ralf Cummerow aus dem Arbeitskreis von Professor Augustin. Über die von Schlöbe vorgestellten Ergebnisse klinischer und pharmakoökonomischer Studien mit einem Povidon-Iod-Komplex in einer Hydrogelgrundlage zur Wundtherapie wurde bereits in der Ausgabe 1/2005 von DermoTopics ausführlich berichtet.

Professor Dr. Thomas L. Diepgen von der Abteilung Klinische Sozialmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg zeigte anhand von epidemiologischen Daten den Nutzen dermatologischer Präventionsmaßnahmen und die dadurch erzielbaren Kosteneinsparungen auf. So sei es zum Beispiel im Friseurhandwerk durch ein großangelegtes Hautschutzprogramm gelungen, die Zahl der berufsbedingten Dermatose und die Höhe der Entschädigungszahlungen innerhalb von vier Jahren zu halbieren.

Cummerow verglich den Einsatz von Tacalcitol und Calcipotriol bei leichter bis mittelschwerer Psoriasis. Demnach sind die Kosten für die Reduktion des PASI-Scores um 75 Prozent mit dem nur einmal täglich anzuwendenden Tacalcitol geringer als mit Calcipotriol, das zweimal täglich angewendet werden muss und eine höhere Heilungsrate bietet. Doch hängt dieses Ergebnis von den Annahmen der Betrachtung ab, wie in der Diskussion deutlich wurde.

Kosten sparen durch Prävention


Professor Dr. Thomas L. Diepgen, Heidelberg, untermauerte die große Wirkung dermatologischer Erkrankungen auf die Lebensqualität anhand epidemiologischer Daten. So ergab eine Umfrage unter Personen im Alter von 20 bis 60 Jahren, dass etwa 43 Prozent der Befragten in den zurückliegenden 12 Monaten eine behandlungsbedürftige Hauterkrankung hatten. Diese hohe Zahl der Betroffenen führe gesamtgesellschaftlich betrachtet auch bei nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen zu einem hohen Verlust an Lebensqualität.

Dies rechtfertige große Bemühungen um die Prävention dermatologischer Erkrankungen, die über die Lebensqualität hinaus auch erhebliche ökonomische Effekte habe, wie Diepgen am Beispiel der berufsbedingten Hauterkrankungen zeigte. Diese machen etwa ein Drittel aller gemeldeten Berufskrankheiten aus, doch sei darüber hinaus eine hohe Dunkelziffer zu vermuten. Das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung von Berufsdermatosen und ihre mögliche Prävention sei im Vergleich zu anderen Berufskrankheiten wie Rückenleiden leider immer noch nicht sehr hoch.


Im Rahmen ihrer 9. Jahrestagung am 14. und 15. März 2005 in Wien richtete die Gesellschaft für Dermopharmazie bereits zum dritten Mal ein Symposium zu Fragen der Gesundheitsökonomie in der Dermatologie aus. Schwerpunkt der Veranstaltung waren die Auswirkungen des 2004 in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) auf die dermatologische Pharmakotherapie. Zusammenfassungen von allen Vorträgen finden sich unter der Internet-Adresse www.gd-online.de.

Die direkten Kosten, die durch berufsbedingte Hauterkrankungen entstehen, machen nach Diepgens Angaben nur etwa ein Sechstel der Gesamtkosten aus. Wesentlich höher seien die indirekten Kosten für Produktionsausfälle, Umschulungen und Entschädigungszahlungen. Diese Kosten müssten deshalb bei Vergleichen mit den Kosten von Präventionsmaßnahmen unbedingt mit berücksichtigt werden.

Ein gutes Beispiel für erfolgreiche Prävention im Bereich der Berufsdermatosen bietet das Friseurhandwerk. Dort hat sich durch ein Regelwerk, wirksame gesundheitspädagogische Maßnahmen, technische Regeln für sensibilisierende Stoffe und den weitgehenden Verzicht auf Glycerolmonothioglykolat die Zahl der Fälle und die Höhe der Entschädigungszahlungen von 1994 bis 1998 halbiert.

Auch die großen Erfolge in der Baubranche in Skandinavien hätten gezeigt, dass besonders die Schulung über den richtigen Einsatz von Hautschutzpräparaten für den Erfolg wichtig ist. In Deutschland richten sich weitere Präventionsbemühungen derzeit auf die Krankenpflegeberufe.

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