Rabattverträge zu topischen Dermatika sind wissenschaftlich nicht begründbar
Bericht von Dr. Joachim Kresken, Viersen
Mit Rabattverträgen zu wirkstoffidentischen Arzneimitteln erzielen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland mittlerweile Einsparungen von rund einer Milliarde Euro pro Jahr. Für den Patienten bedeutet die Regelung, dass er in der Apotheke in zahlreichen Fällen nicht mehr das vom Arzt verordnete, sondern ein wirkstoffidentisches Präparat eines anderen Herstellers erhält. Dabei wird vorausgesetzt, dass die betreffenden Präparate therapeutisch äquivalent sind. Für wirkstoffidentische topische Dermatika, also Mittel zur örtlichen Behandlung von Hauterkrankungen, liegen jedoch, wie die Gesellschaft für Dermopharmazie in mehreren wissenschaftlichen Stellungnahmen deutlich gemacht hat, keine Äquivalenznachweise vor. Trotzdem haben einige gesetzliche Krankenkassen jetzt auch diese eigentlich nicht austauschbaren Arzneimittel in Rabattverträge mit Substitutionspflicht einbezogen.
Vorreiter waren hier die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), die bereits Mitte 2009 mit Betamethason erstmals einen Wirkstoff zur topischen Anwendung für Rabattverträge ausgeschrieben hatten. Ob-
wohl es gegen die Ausschreibung massive Proteste aus Wissenschaft und Industrie gab, hielt die AOK ihr Vorhaben aufrecht.
Nach juristischen Auseinandersetzungen mit einigen betroffenen Herstellerfirmen bis hin zum Sozialgericht schloss die AOK schließlich mit der Firma Galenpharma Rabattverträge
zu sämtlichen Darreichungsformen von topischem Betamethason. Diese Verträge müssen
seit dem 1. Oktober 2010 von den Apotheken umgesetzt werden.
AOK-Ausschreibung
als negatives Vorbild
Das Vorgehen der AOK hat offensichtlich andere gesetzliche Krankenkassen zur Nachahmung motiviert. So haben inzwischen auch die Techniker Krankenkasse, die Deutsche Angestellten-Krankenkasse und die Ausschreibungsgemeinschaft Spektrum K Rabattverträge zu topischem Betamethason abgeschlossen. Die Zuschläge gingen hier jedoch nicht durchgängig nur an einen Anbieter, sondern an bis zu drei Firmen.
Noch einen Schritt weiter ging die KKH-Allianz. Diese nach eigenen Angaben viertgrößte gesetzliche Krankenkasse in Deutschland hat neben Betamethason sogar noch sechs weitere topische Wirkstoffe in Rabattverträge einbezogen, die seit dem 1. November 2010 gültig sind (siehe Kasten auf Seite 22).
Widerspruch zu geltender
Zulassungspraxis
Obwohl Rabattverträge zu topischen Dermatika inzwischen Realität geworden sind, widersprechen sie wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Kriterien der evidenzbasierten Medizin. Mit einer qualitätsorientierten Versorgung ist es jedenfalls nicht vereinbar, dass Arzneimittel ohne Nachweis der therapeutischen Äquivalenz substituiert werden müssen.

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Topische Dermatika sind wegen der Besonderheiten ihrer Trägersysteme nicht austauschbar. Dies gilt auch dann, wenn sie den gleichen Wirkstoff in gleicher Konzentration enthalten. Die Gesellschaft für Dermopharmazie fordert deshalb, die Nicht-Substituierbarkeit von topischen Dermatika im Sozialrecht zu verankern. |
Auch mit der weltweit geltenden Zulassungspraxis stehen solche Verträge nicht in Einklang. Bekanntlich müssen für die Zulassung topischer Dermatika immer individuelle Wirksamkeits- und Verträglichkeitsnachweise erbracht werden. Bezug nehmende Zulassungen, wie sie für wirkstoffgleiche Arzneimittel anderer Darreichungsformen üblich sind, werden für topische Dermatika zu Recht nicht anerkannt.
Mögliche Auswege aus
dem Dilemma
Trotz der von einigen gesetzlichen Krankenkassen geschaffenen neuen Faktenlage sei der Fachwelt empfohlen, sich weiter mit Nachdruck gegen die Substitutionspflicht von topischen Dermatika zu engagieren. Dies könnte womöglich dazu beitragen, dass diejenigen Kassen, die bis jetzt noch keine Wirkstoffe zur topischen Anwendung ausgeschrieben haben, auf diese Maßnahme verzichten.
Auch der Deutsche Apothekerverband wurde von der Gesellschaft für Dermopharmazie gebeten, aktiv zu werden. Er sollte bei seinen Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der Gesetzlichen Krankenversicherung darauf hinwirken, dass die Nicht-Substituierbarkeit von wirkstoffidentischen topischen Dermatika im Rahmenvertrag über die Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten verankert wird.
Als Vorbild dafür könnte die im Rahmenvertrag enthaltene Regelung zu den so genannten Biosimilars herangezogen werden. Für diese biotechnologisch hergestellten Arzneimittel ist festgelegt, dass sie keiner
Austauschpflicht unterliegen, wenn sie individuell zugelassen sind und sich in ihren Ausgangsstoffen und/oder ihrem Herstellungsprozess unterscheiden. Diese Voraussetzungen werden durchgängig auch von topischen Dermatika erfüllt.
Problem nicht auf Ärzte
und Apotheker abwälzen
Das Problem der Nicht-Substituierbarkeit von topischen Dermatika auf Ärzte und Apotheker abzuwälzen, kann keine Lösung sein. Der Arzt kann eine Sub-stitution zwar durch Ankreuzen des Aut-idem-Feldes auf dem Verordnungsblatt ausschließen, doch sollte er von dieser Möglichkeit nur im medizinisch begründeten Ausnahmefall Gebrauch machen. Anderenfalls würde er sich einem erhöhten Risiko für Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch die Krankenkassen aussetzen.
Der Apotheker kann gegen eine rabattvertragsbedingte Substitutionspflicht pharmazeutische Bedenken geltend machen. Diese Möglichkeit ist jedoch ebenfalls nur für den begründeten Ausnahmefall vorgesehen. Bei topischen Dermatika könnte sie zum Beispiel dann geltend gemacht werden, wenn im Trägersystem des Rabattarzneimittels ein Inhaltsstoff enthalten ist, gegen den der Patient eine Kontaktsensibilisierung besitzt.
Das AMNOG eröffnet
neue Perspektiven
Lange Zeit bestand die Hoffnung, dass die Ungereimtheiten bei den Arzneimittel-Rabattverträgen politisch gelöst werden könnten. Schließlich hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt, die Rabattvertragsregelung reformieren zu wollen. Im Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG), das zum 1. Januar 2011 in Kraft trat, ist dieses Vorhaben jedoch nicht wirklich umgesetzt worden.
Immerhin haben Patienten jetzt erstmalig die Möglichkeit, sich von bestehenden Rabattverträgen zu befreien und gegen Vorkasse in der Apotheke das vom Arzt verordnete Arzneimittel zu erhalten. Die Krankenkassen setzen jedoch darauf, dass diese Option nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen wird, weil sie für den Patienten mit derzeit noch nicht bezifferbaren Mehrkosten verbunden ist.
Spannend wird zudem, wie die Zivilgerichte die Rabattverträge bewerten werden. Mit dem AMNOG wurde nämlich die Zuständigkeit für Klagen von Herstellern von den Sozial- auf die Zivilgerichte übertragen. Womöglich wird eines Tages ein Richterspruch eines Zivilgerichts dafür sorgen, dass topische Dermatika nicht länger in Rabattverträge mit Substitutionspflicht einbezogen werden dürfen.
Rabattverträge der KKH-Allianz zu topischen Dermatika
(gültig seit 1.11.2010) |
Wirkstoff |
Rabattvertragspartner |
Präparatenamen |
Betamethason |
Dermapharm Galenpharma Winthrop |
Soderm Betagalen Beta Lichtenstein/ Betalotio Winthrop |
Calcipotriol |
1A Pharma Leo Pharma |
Calcipotriol 1A Daivonex |
Ciclopirox |
Dermapharm Galenpharma |
Karison Clobegalen |
Fusidinsäure |
Acis Dermapharm Leo Pharma |
Fusidinsäure Acis Fusicutan Fucidine |
Mometason |
Essex Galenpharma |
Ecural Momegalen |
Triamcinolon |
Dermapharm |
Volon A |
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