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GD Gesellschaft für Dermopharmazie e.V. |
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Dermopharmazie aktuell Versorgungsforschung in Deutschland Infrastruktur und Inhalte werden vorrangig von den Krankenkassen geprägt Bericht von Dr. Joachim Kresken, Viersen Der Versorgungsforschung wird in der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion eine wichtige Rolle zugewiesen. Ein Schwerpunkt dieser noch relativ jungen Disziplin sind Untersuchungen zu der Frage, inwieweit sich die in klinischen Studien festgestellte Wirksamkeit von Arzneimitteln oder anderen Gesundheitsleistungen unter Alltagsbedingungen verwirklichen und für den Patienten nutzbar machen lässt. Da die Ergebnisse solcher Untersuchungen nicht nur wissenschaftlich interessant sind, sondern auch einen Beitrag für Entscheidungen zur Kostenerstattung leisten können, haben sich die gesetzlichen Krankenkassen hier in hohem Maße engagiert. Als neutraler Beobachter des Geschehens gewinnt man sogar den Eindruck, dass die Infrastruktur und die Inhalte der Versorgungsforschung in Deutschland weniger von unabhängigen wissenschaftlichen Organisationen, sondern vorrangig von Krankenkassen und krankenkassennahen Einrichtungen geprägt werden. Deutlich wurde dies zum Beispiel beim 10. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung vom 20. bis 22. Oktober 2011 in Köln. Obwohl dieser Kongress eigentlich von zwei wissenschaftlichen Organisationen ausgetragen wurde, nämlich dem Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF) sowie der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie (GAA), vermittelte er eher den Eindruck einer Krankenkassenveranstaltung. Krankenkassen dominieren Befremdlich wirkte zum Beispiel die Tatsache, dass zu der kongressbegleitenden Pressekonferenz nicht von den Veranstaltern selbst, sondern von einer gesetzlichen Krankenkasse, der Barmer GEK, eingeladen wurde, die in der Pressemappe lediglich als Kooperationspartner des Kongresses ausgewiesen war. Zudem wurde die Pressekonferenz von einem Vertreter dieser Krankenkasse moderiert.
Auch unter den Sponsoren und Ausstellern des Kongresses dominierten gesetzliche Krankenkassen. Auf Unterstützung durch die pharmazeutische Industrie sei dagegen bewusst verzichtet worden, erklärte der am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen tätige Hauptgeschäftsführer des DNVF, Professor Dr. Gerd Glaeske. Für Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Barmer GEK, gehört Professor Glaeske zu den Pionieren der deutschen Versorgungsforschung. Das von Glaeske geleitete und von der Barmer GEK unterstützte Bremer Zentrum leiste insbesondere durch den seit 2001 herausgegebenen Arzneimittelreport einen wichtigen Beitrag zur Effizienzsteigerung und bedarfsgerechten Verteilung der knappen Ressourcen im Gesundheitswesen. Die von den Krankenkassen initiierte Versorgungsforschung, so Schlenker und Glaeske unisono, verfolge das Ziel, Über-, Unter- und Fehlversorgung bei den Versicherten aufzudecken. Zudem solle mit der Versorgungsforschung mehr Transparenz für die verantwortlichen Akteure geschaffen und die Patientensouveränität verbessert werden. Kassen fordern Steuergelder Schlenker beklagte, dass seitens der Kassen derzeit nur etwa ein Euro pro Patient und Jahr in die Versorgungsforschung investiert werden könne. Dies sei viel zu wenig, um die definierten Ziele zu erreichen. Deshalb solle den Kassen für ihre Versorgungsforschung ein Anspruch auf Fördergelder durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und damit von Steuergeldern eingeräumt werden. Angesichts der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen ist ein hohes Engagement der gesetzlichen Krankenkassen im Bereich der Versorgungsforschung sicherlich sinnvoll. Doch der Bürger und Steuerzahler dürfte nur wenig Verständnis dafür aufbringen, wenn Organisationen, die andere Kernaufgaben haben als Forschung, mit öffentlichen Mitteln zur Förderung von Forschungsprojekten bedacht würden. Solche Gelder wären bei unabhängigen wissenschaftlichen Organisationen, die sich mit Versorgungsforschung beschäftigen, sicherlich besser aufgehoben. Mehrere solcher Organisationen sind Mitglieder des DNVF, darunter auch die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) sowie das unter der Leitung von Professor Dr. Matthias Augustin an der Universität Hamburg eingerichtete Competenzzentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie (CVderm).
Patienteninteressen rücken Ein zentraler Gegenstand der aktuellen Versorgungsforschung sind die Interessen des Patienten. „Nach der Epoche des Chefarztes und der Epoche der Ökonomie stehen wir vor der Epoche des Patienten“, erklärte der erste stellvertretende Vorsitzende des DNVF, Professor Dr. Edmund Neugebauer von der Universität Witten/Herdecke, anlässlich des Kongresses in Köln. Studien hätten gezeigt, dass sich das Arzt-Patienten-Verhältnis und die Versorgung verbesserten, wenn der Patient in die Entscheidung über seine Gesundheitsversorgung einbezogen werde, so Neugebauer. Das dafür am weitesten entwickelte Konzept sei die partizipative Entscheidungsfindung (Shared Decision Making, SDM). SDM wird definiert als die Interaktion zwischen Arzt und Patient, in der gemeinsam über eine angemessene medizinische Behandlung entschieden wird. Dabei werden sowohl der aktuelle Stand der Forschung im Sinne der evidenzbasierten Medizin als auch persönliche Präferenzen und die Lebensumstände des Patienten berücksichtigt. Die Einbeziehung des Patienten sei besonders wichtig, wenn verschiedene Behandlungsoptionen mit unterschiedlichen Folgen vorlägen. Derzeit, so Neugebauer, seien die Patienteninteressen in der Versorgung jedoch noch immer unterrepräsentiert, obwohl laut Studien etwa 70 Prozent der Patienten eine Mitentscheidung wollten. Ziel müsse es sein, Arzt und Patienten auf Augenhöhe zusammenzuführen. Dafür seien evidenzbasierte Entscheidungshilfen für Patienten notwendig. Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften rief Neugebauer dazu auf, solche Entscheidungshilfen zu entwickeln und sie den Patienten, zum Beispiel in Form von werbefreien Ratgeberbroschüren, zugänglich zu machen. Versorgungsforschung wird Wie breit der Begriff „Versorgungsforschung“ heute interpretiert wird, machten die rund 300 Vorträge und Poster des Kongresses in Köln deutlich. Das Themenspektrum reichte von der Patientenbeteiligung in der Versorgung, über methodische Fragen in der Versorgungsforschung und die Evaluation von Versorgungskonzepten bis hin zu Qualitäts- und Kostenaspekten in der Pharmakotherapie. Auffallend war, dass auch unter den Referenten und Posterautoren Vertreter von Krankenkassen und krankenkassennahen Organisationen dominierten, während die pharmazeutische Industrie auch hier kaum vertreten war. Lediglich zwei Poster stammten von Mitarbeitern pharmazeutischer Firmen. Bei einem dieser beiden Poster ging es um den Verbrauch und die Kosten von Glukokortikoiden zur intranasalen Anwendung. Unterrepräsentiert, aber wenigstens nicht außen vor, waren Themen zur Versorgung von Hautpatienten. So wurden in zwei Vorträgen und fünf Postern von Mitarbeitern aus dem Arbeitskreis von Professor Augustin in Hamburg zum Teil schon bekannte Forschungsergebnisse zur Versorgungssituation von Wund-, Lymphödem-, Psoriasis-, Neurodermitis- und Rosazea-Patienten präsentiert. Versorgungsqualität der Diplompsychologin Anna Langenbruch stellte die Ergebnisse von RosaReal, der ersten in Deutschland durchgeführten nationalen Versorgungsstudie zur Rosazea vor. Ziel der im September 2011 in Dermatology online veröffentlichten Studie war es, aus Patientensicht wissenschaftliche Daten zur Versorgungsqualität und zur leitliniengerechten Versorgung der Rosazea zu gewinnen. Die Studienergebnisse zeigten, dass rund ein Drittel der insgesamt 475 über eine Selbsthilfeorganisation rekrutierten Patienten unzufrieden mit der erhaltenen Behandlung war. Dieses Ergebnis ist insofern überraschend, da drei Viertel der Patienten in den 12 Monaten vor der Befragung einen Hautarzt aufgesucht hatten. Bemerkenswert ist auch, dass 24 Prozent der Patienten mit topischen Glukokortikoiden behandelt wurden, obwohl diese gemäß der bereits im Dezember 2008 veröffentlichten S1-Leitlinie der DDG bei Rosazea nicht indiziert sind. Diese Fehlversorgung sowie der im Vergleich zu anderen Dermatosen insgesamt geringe Behandlungsnutzen seien Indizien für den Bedarf an optimierten Angeboten zur Behandlung der Rosazea, erklärte die Referentin. Qualität von Apotheken- Zum Kongressprogramm gehörte überraschenderweise auch ein Vortrag von Amtsapotheker Thorsten Wessel, Wesel, zur pharmazeutischen Qualität von in Offizinapotheken hergestellten dermatologischen Rezepturen. Dieses Thema hätte man eigentlich eher bei einer pharmazeutischen Fortbildungsveranstaltung erwartet als bei einem Kongress zur Versorgungsforschung.
Wessel hatte im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit in Apotheken des Kreises Wesel und der Stadt Krefeld Rezepturproben, meist halbfeste Darreichungsformen wie Cremes und Salben, gezogen und diese zur Untersuchung der chemischen und physikalischen Qualität bei der amtlichen Arzneimitteluntersuchungsstelle des Landes Nordrhein-Westfalen in Münster eingereicht. Die Untersuchungsergebnisse zeigten, dass einige der insgesamt 53 geprüften Proben nicht den qualitativen Anforderungen für Rezepturarzneimittel genügten. So wurden in sieben Proben (13,2 Prozent) falsche Wirkstoffe gefunden, und in 13 Proben (24,5 Prozent) entsprach der Wirkstoffgehalt nicht der Deklaration. Zudem wurde bei 43 Proben (81,1 Prozent) die Kennzeichnung auf der Verpackung moniert. Neue Vorschriften lassen Obwohl aus diesen wenig erfreulichen Ergebnissen eigentlich keine Allgemeingültigkeit abgeleitet werden kann, stellte Wessel die heutige Form der Rezepturherstellung in Offizinapotheken grundsätzlich in Frage. Ob bewusst oder unbewusst, forciert er damit Bestrebungen, die Rezepturherstellung in Apotheken industriellen Vorgehensweisen anzupassen. Sollten es eines Tages tatsächlich zur Pflicht werden, Apothekenrezepturen nach Industriestandard herzustellen, so würde dies wahrscheinlich das Aus für die flächendeckende Versorgung von Hautpatienten mit Rezepturarzneimitteln bedeuten. Denn allein aus Kostengründen dürften dann kaum noch Apotheken dazu in der Lage sein, weiter Rezepturarzneimittel herzustellen. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass sich die Rezepturqualität auch ohne Anpassung an industrielle Vorgehensweisen verbessern wird. Dies lassen die neuen Vorschriften der im Juni 2012 novellierten Apothekenbetriebsordnung erwarten, wonach jetzt unter anderem vor Herstellung einer Rezeptur eine Herstellungsanweisung unter Einbeziehung einer Plausibilitätsprüfung durch einen Apotheker erstellt werden muss.
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