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Titelbild_1_14   Ausgabe 1 (2014)

Dermatotherapie
Neue therapeutische Konzepte in der Dermatologie
Bei verschiedenen Indikationen gibt es aussichtsreiche Entwicklungen

Bericht von Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel, und Dr. Joachim Kresken, Viersen

Einer der Schwerpunkte der 17. GD-Jahrestagung vom 21. bis 23. März 2013 in Mainz war die Darstellung neuer therapeutischer Konzepte in der Dermatologie. Im wissenschaftlichen Hauptprogramm der Tagung und in einem zusätzlichen Symposium stellten hochkarätige Wissenschaftler aussichtsreiche Entwicklungen auf diesem Gebiet vor. Dabei wurden mögliche neue Zielstrukturen und Wirkstoffe zur Behandlung der atopischen Dermatitis, der Rosazea und der Alopecia areata, die Wirksamkeit des rekombinanten humanisierten monoklonalen IgE-Antikörpers Omalizumab bei chronischer spontaner Urtikaria und neue Varianten für die spezifische Immuntherapie aufgezeigt. Ferner wurden eine Übersicht und neue Ansätze zur Therapie blasenbildender Autoimmunkrankheiten der Haut, ein Update zur medikamentösen Therapie des malignen Melanoms und mögliche neue Strategien zur Tumorvakzinierung präsentiert.


In mehreren Vorträgen wurde deutlich, wie die Identifizierung einer geeigneten Zielstruktur einen neuen therapeutischen Ansatz für eine gezieltere Behandlung ermöglicht. Dies verspricht sowohl höhere Erfolgswahrscheinlichkeiten als auch weniger unerwünschte Effekte.

Interleukin-31 gilt als neues
Target bei Neurodermitis


Als Beispiel für ein solches therapeutisches Target stellte Professor Dr. Jens Malte Baron, Aachen, Interleukin-31 (IL-31) vor. Die Konzentration dieses Mitglieds der IL-6-Familie ist bei atopischer Dermatitis und anderen Defekten der Hautbarriere erhöht. Es besteht auch eine Korrelation zum Auftreten von Allergien.

Baron_2014Professor Dr. Jens Malte Baron von der Hautklinik der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen informierte über Interleukin-31 als mögliches neues Target für die Therapie der atopischen Dermatitis.


IL-31 ist Teil einer umfangreichen Signalkaskade, wirkt auf die Rezeptoren IL-31RA und OSMR und steuert die Freisetzung von IL-20 und IL-24. Dem Cytokin werden sowohl Funktionen bei der angeborenen als auch bei der erworbenen Immunabwehr zugeschrieben. Außerdem beeinflusst IL-31 die Differenzierung der Hautbarriere.

Experimentell wurde im dreidimensionalen Hautmodell durch einmalige kurzzeitige Gabe von IL-31 eine erhebliche Schädigung der Epidermis ausgelöst. Filaggrin ging zurück, und die Epidermis wurde dünner. Dies beeinträchtigt auch die Funktion der Epidermis: Die Aufnahme von Allergenen wird erhöht, die Haut wird durchlässiger für Irritanzien, und der transepidermale Wasserverlust steigt.

Als physiologisch gewünschter Effekt von IL-31 wurde mittlerweile die Induktion diverser Komponenten der IL-1-Familie ermittelt. Letztlich führt IL-31 zur Bildung antimikrobieller Peptide. Doch offenbar treten die erwünschten Effekte schon bei eher geringen Konzentrationen, die schädigenden Effekte dagegen erst bei höheren Konzentration von IL-31 ein.

Für eine IL-31-orientierte Behandlung wurde bereits ein Inhibitor entwickelt, der zum Einsatz gegen Juckreiz und bei einer Schädigung der Hautbarriere getestet wird, erklärte Baron. Außerdem betrachtet er IL-31 als mögliches Target für die Therapie von Mastozytosen und myeloproliferativen Neoplasien.

Dermatotherapeutika

Cathelicidin-Inhibitoren sind
aussichtsreich bei Rosazea


Bei Krankheiten, für die viele unspezifische Effekte als Ursache diskutiert werden, ist eine kausale Therapie praktisch unmöglich. Hier bietet die molekulare Medizin einen neuen Zugang zum Verständnis der Erkrankung und damit auch zur Behandlung. Privatdozent Dr. Jürgen Schauber, München, zeigte dies am Beispiel der Rosazea.

Schauber_2014Für Privatdozent Dr. Jürgen Schauber von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Ludwig-Maximilians-Universität München sind Cathelicidin-Inhibitoren ein aussichtreiches neues Wirkprinzip zur Behandlung der Rosazea.


Die Rosazea ist eine häufige chronisch-entzündliche Erkrankung, die zu wiederkehrenden Rötungen des Gesichts, Papeln, Pusteln sowie seltener zu Knoten und Ödemen führt. Inzwischen gilt eine Störung des angeborenen Immunsystems als Auslöser, und es konnten wichtige Schritte der bei Rosazea ablaufenden Entzündungskaskade identifiziert werden.

Offenbar ist bei Rosazea die Spaltung der antimikrobiellen Peptide in der Haut gestört, so dass ein anderes Peptidmuster mit einer erhöhten Konzentration von Cathelicidin entsteht. Dies wirkt auf die angeborene Immunabwehr, aktiviert die Chemokinfreisetzung in Entzündungszellen und stimuliert die Neoangiogenese. Langfristig hofft Schauber deshalb auf Cathelicidin-Inhibitoren als neues Wirkprinzip bei Rosazea.

Außerdem ist bei Rosazea die Aktivität der kutanen Protease erhöht, so dass weitere pro-inflammatorische Cathelicidin-Spaltprodukte entstehen. UV-Licht und Demodex-Milben wirken dabei als Triggerfaktoren. Dieser Mechanismus erklärt die antientzündliche Wirksamkeit von Doxycyclin, das bei Rosazea in der niedrigen, nicht antibiotisch wirksamen Konzentration von 40 Milligramm eingesetzt wird.

Merk_2014Professor Dr. Hans F. Merk, Direktor der der Hautklinik der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen und seit 2013 stellvertretender Vorsitzender der GD, stellte mögliche neue Targets für die Therapie der Alopecia areata vor.


Das Indikationsspektrum von
Omalizumab hat sich erweitert


Eine häufige Hauterkrankung, bei der ebenfalls Bedarf für neue Therapieoptionen besteht, ist die chronische spontane Urtikaria (csU). Einen innovativen Ansatz bietet der rekombinante humanisierte monoklonale IgE-Antikörper Omalizumab. Er wurde im März 2014 EU-weit als Zusatztherapie für csU-Patienten zugelassen, die unzureichend auf eine Behandlung mit H1-Antihistaminika ansprechen (siehe dazu auch diesen Bericht).

Wie Privatdozentin Dr. Petra Staubach, Mainz, bei der 17. GD-Jahrestagung und in einem weiteren Vortrag bei der 18. GD-Jahrestagung 2014 in Berlin darlegte, zeigten zahlreiche Fallberichte und eine in Deutschland durchgeführte Placebo-kontrollierte Studie eine deutliche Reduktion der Symptome. Fast zwei Drittel der mit Omalizumab behandelten csU-Patienten seien nach der Therapie beschwerdefrei gewesen.

Erstaunlicherweise wirkt Omalizumab bei csU schneller als beim allergischen Asthma, und es ist auch bei Patienten mit niedrigem IgE-Spiegel erfolgreich. Dies lässt einen weiteren Wirkungsmechanismus vermuten, der noch nicht aufgeklärt ist. Eine weitere Studie in Deutschland soll gezielt den Effekt von Omalizumab beim Angioödem untersuchen.

Die spezifische Immuntherapie
bietet mehrere neue Ansätze


Professor Dr. Joachim Saloga, Mainz, stellte mögliche neue Varianten für die spezifische Immuntherapie zur Hyposensibilisierung vor. Viele Studien seien durch die verschärften Zulassungsbedingungen angeregt worden. Mit neuen biotechnologischen Verfahren seien Allergene besser zu definieren.

Saloga_2014Professor Dr. Joachim Saloga, Hautklinik Universitätsmedizin Mainz, stellte mehrere neue Ansätze für die spezifische Immuntherapie vor und unterzog die bereits existierenden Verfahren einer kritischen Bewertung.


Es könnten sogar einzelne Allergene rekombinant hergestellt werden, wobei auch hypoallergene Mutanten oder andere gezielte Veränderungen möglich sind, selbst unterschiedliche Faltungen von Proteinen. Diese Veränderungen zielen insbesondere darauf, die Sicherheit der Therapie zu verbessern.

Allerdings sei diese Erwartung bisher nicht bestätigt worden. Das Risiko systemischer Effekte bis hin zur Anaphylaxie bleibe bestehen. Auch der Einsatz von Peptiden, die von IgE nicht erkannt werden, habe nicht die erhoffte größere Sicherheit gebracht. Nach Einschätzung von Saloga muss daher noch nach der optimalen Dosierung gesucht werden. Weitere Optionen böten neuartige Vehikel wie „virus-like particles“ ohne Viren-RNA oder -DNA.

Als weitere neue Ansätze für die spezifische Immuntherapie beschrieb Saloga alternative Applikationswege für die Immuntherapie. Die sublinguale Immuntherapie (SLIT) mit Hilfe von Tabletten mit rekombinanten Allergenen werde heute auch bei atopischer Dermatitis durchgeführt, die früher als Kontraindikation galt.

Die Wirkung der sublingualen Immuntherapie könne verstärkt werden, wenn die Tabletten vor der Zahnreihe platziert werden. Die orale Anwendung sei besonders zum Einsatz gegen Nahrungsmittelallergien interessant.

Bei bullösen Dermatosen
werden Antikörper getestet


Professor Dr. Michael Hertl, Marburg, beschrieb die Therapie bullöser Autoimmundermatosen. Typische sind der seltene Pemphigus und das relativ häufige bullöse Pemphigoid. Diese oft schwer verlaufenden Erkrankungen führen zu chronischen Blasen oder Erosionen an der Haut und/oder der Mundschleimhaut.

Hertl_2014Professor Dr. Michael Hertl, Direktor der Universitäts-Hautklinik Marburg, gab eine Übersicht zur Therapie bullöser Dermatosen, bei der auch einige innovative Therapieansätze zur Sprache kamen.


Therapie der Wahl ist derzeit die systemische Gabe von Glukokortikoiden, die zur kurzfristigen Remission führen. Dies sei für die Kontrolle der Erkrankung entscheidend. Außerdem sollte der bei vielen Betroffenen bestehende Vitamin-D-Mangel ausgeglichen werden.

Unter den adjuvant eingesetzten Immunsuppressiva haben sich gemäß einer Metaanalyse Azathioprin, Cyclophosphamid und Mycofenolatmofetil als geeignet erwiesen. In der Kombination mit solchen Immunsuppressiva können die Glukokortikoide geringer dosiert oder schneller abgesetzt werden.

Als weitere Behandlungsoptionen stellte Hertl moderne zielgerichtete Therapieansätze vor. So könne die spezifische Entfernung der pathogenetisch relevanten IgG-Antikörper zu einer schnellen Remission führen, denn der Pemphigus wird durch IgG4-Antikörper vermittelt.

Eine weitere Therapiemöglichkeit ist die intravenöse Gabe von Immunglobulinen in hoher Dosis. Außerdem wirkt Rituximab als Antikörper gegen B-Zellen, aber der Wirkungsmechanismus bei bullösen Erkrankungen werde noch nicht klar verstanden. Zur Bewertung dieser neuen Ansätze müssten Studien abgewartet werden.

Zur medikamentösen Melanomtherapie
sind noch Fragen offen


Ein Update zum Stand der zielgerichteten Arzneitherapie des malignen Melanoms bot Dr. Berenice Rudolph, Mainz. Bei einer Mutation im BRAF-Signalweg werden BRAF-Inibitoren wie Vemurafenib oder Dabrafenib eingesetzt. In einer Studie hat dies das progressionsfreie Überleben verdreifacht, aber das Gesamtüberleben um durchschnittlich nur zwei Monate verlängert.

Rudolph_2014Dr. Berenice Rudolph, Hautklinik Universitätsmedizin Mainz, bot in Vertretung für den Klinikdirektor, Professor Dr. Stephan Grabbe, ein Update zum Stand der medikamentösen Therapie des malignen Melanoms.


Letzteres sage aber wenig aus, denn bei einigen Patienten würden die BRAF-Inhibitoren über mehrere Jahre erfolgreich eingesetzt. Auch bei fortgeschrittener Tumorlast sei die Ansprechrate hoch. Wenn BRAF-Inhibitoren nicht mehr wirken, bieten sich MEK-Inhibitoren als nächster Schritt an, doch Tumoren könnten auch diese Blockade über andere Signalwege umgehen.

Eine weitere therapeutische Option ist der an der Oberfläche von T-Lymphozyten gegen CTLA-4 wirkende monoklonale Antikörper Ipilimumab. Er verlängere das Gesamtüberleben im Mittel um vier Monate, doch auch dieser Durchschnittswert sei wenig aussagefähig. Bemerkenswert sei, dass mit dieser Therapie erstmals etwa 20 Prozent Langzeitüberlebende erreicht werden konnten. Teilweise würden die Patienten bereits drei Jahre überleben.

Bis jetzt gibt es jedoch keine Biomarker, die hierzu eine Prognose ermöglichen. Drei Monate nach Therapiebeginn würden sich ganz unterschiedliche Verläufe ergeben. Dies dürfte auch mit verschiedenen Tumorklonen innerhalb des Tumors zusammenhängen.

Als weiteren hoffnungsvollen Ansatz nannte Rudolph Antikörper gegen PD-1. In diesem Fall dürfte ein Biomarker vorhanden sein, mit dem aussichtsreiche Patienten identifiziert werden können. Letztlich zeichne sich im Umgang mit zielgerichteten Therapien des Melanoms eine neue Strategie ab, die zum Zeitpunkt der Zulassung der ersten Substanzen dieser Art noch nicht zu erkennen war.

Offenbar seien vielfach Kombinationen dieser Wirkstoffe nötig. Wenn beispielsweise die Wirkung von Vemurafenib nachlasse, müsse rechtzeitig parallel dazu Ipilimumab gegeben werden. Wenn Ipilimumab erst nach dem Ende der Vemurafenib-Therapie eingesetzt werde, würde der Patient den Wirkungseintritt der Substanz womöglich nicht mehr erleben.

Zur Tumorvakzinierung sind
neue Konzepte in Aussicht


Professor Dr. Martin Röcken, Tübingen, beschrieb grundsätzliche Überlegungen zum Einsatz von Tumorvakzinen. Das ermutigende Vorbild des Verfahrens sind die erfolgreichen Impfungen gegen viele Virusinfektionen, bei denen die Immunantwort die virusinfizierten Zellen zerstört.

Roecken_201Professor Dr. Martin Röcken, Direktor der Universitäts-Hautklinik Tübingen, machte deutlich, dass als Ziel der Tumorvakzinierung weniger die Eradikation des Tumors, sondern eher ein dauerhafter Wachstumsstopp angestrebt werden sollte.


Impfungen gegen Virusinfektionen werden jedoch stets prophylaktisch eingesetzt, während die Tumorvakzinierung zur Therapie bestehender Tumoren dienen soll. Dieses Konzept ist bisher allerdings nur in speziellen Situationen erfolgreich und kann bei Verwendung einer ungeeigneten Vakzine sogar das Tumorwachstum fördern.

Die Behandlung von Tumoren erfordert möglicherweise einen ganz anderen Ansatz. Dies lege die Betrachtung der „tumor dormancy“, der Zeit des Stillstandes beim Tumorwachstum, nahe, erklärte Röcken. Denn das Überleben der Patienten korrelierte in Untersuchungen beim Melanom, aber auch bei einigen anderen Krebsarten mit der Dauer solcher Wachstumspausen und nicht mit der Krebsprogression. Besonders lange lebten Patienten mit dauerhaftem Wachstumsstopp des Tumors und nicht diejenigen, bei denen die Tumormasse zunächst schnell abnahm. Auch die Rolle von Metastasen sei zu hinterfragen. Denn es gebe viel mehr Mikrometastasen, als üblicher- weise angenommen werde, doch davon würden viele „schlafen“.

Als Therapieziel für eine Vakzine böte sich damit weniger die Eradikation des Tumors, sondern eher ein dauerhafter Wachstumsstopp an. Als Konzepte für eine solche langfristige Tumorkontrolle kämen beispielsweise Kombinationen von Interferon und Tumornekrosefaktoren oder Antikörper gegen Tumorantigene in Betracht.

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