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GD — Gesellschaft für Dermopharmazie e.V.

   
 

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Hautfabrik   Ausgabe 1 (2015)

Dermopharmazie aktuell
Grundlagen von topischen Dermatika
Hohe regulatorische Anforderungen
erschweren galenische Innovationen


Bericht von Dr. Helga Blasius, Remagen

Die Wirksamkeit und Verträglichkeit topischer Dermatika werden bekanntlich nicht nur durch die eingesetzten Wirkstoffe, sondern auch durch deren Grundlagen beziehungsweise die darin eingesetzten Einzelkomponenten, die sogenannten Hilfsstoffe, bestimmt. Bei der Entwicklung von neuen topischen Dermatika wird deshalb stets auch nach verbesserten Grundlagen mit innovativen Hilfsstoffen Ausschau gehalten. Dies gilt für industriell gefertigte Dermatika ebenso wie für dermatologische Rezepturen. Ein gemeinsam von der GD Gesellschaft für Dermopharmazie und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausgerichtetes Symposium am 8. Oktober 2013 in den Räumlichkeiten des BfArM in Bonn beleuchtete die Anforderungen an die in topischen Dermatika eingesetzten Hilfsstoffe aus pharmazeutischer, klinischer und regulatorischer Sicht. Dabei wurde einmal mehr deutlich, mit welchen Schwierigkeiten die Umsetzung von galenischen Innovationen auf dem Gebiet der Topika verbunden ist.


Das Symposium setzte die im Jahr 2003 begonnene Tradition von GD-Veranstaltungen im BfArM fort. Die wissenschaftliche Leitung der Veranstaltung lag in den Händen von Professor Dr. Clemens Allgaier, dem Leiter der GD-Fachgruppe Sicherheitsbewertung und Verkehrsfähigkeit, und von Apothekerin Sibylle Matz, der Leiterin des Fachgebietes Antiinfektiva/Antiallergika/Haut/HNO beim BfArM.

Karl Broich

Der im August 2014 zum Präsidenten des BfArM ernannte Professor Dr. Karl Broich richtete ein Grußwort an die Teilnehmer des Symposiums. Dabei hob er die Bedeutung der Magistralrezepturen hervor, indem er diese in die Nähe der individualisierten Medizin rückte.


Für topische Dermatika gelten
spezielle Zulassungskriterien


Die ebenfalls beim BfArM tätige Dermatologin Dr. Myrjam Dorothea Straube erläuterte, warum Topika in der Zulassung anders zu behandeln sind als systemische Zubereitungen. Obwohl beide Zubereitungsarten prinzipiell den gleichen europäischen und nationalen Regularien für die Verkehrsgenehmigung unterliegen, sind bei der Zulassung topischer Dermatika zusätzlich die Besonderheiten der Grundlagen zu berücksichtigen.

M. D. Straube

Die beim BfArM tätige Dermatologin Dr. Myrjam Dorothea Straube machte deutlich, dass topische Dermatika wegen der Besonderheiten ihrer Grundlagen in der Zulassung anders zu behandeln sind als systemische Zubereitungen.


Die Bedeutung der Hilfsstoffzusammensetzung spiegelt sich in europäischen Leitlinien wider, die der Zulassung von Topika zugrunde gelegt werden (CPMP/EWP/239/95). Hieraus lässt sich ableiten, dass für die Zulassung von wirkstoffidentischen topischen Dermatika, selbst bei gleichem Wirkstoffgehalt, Bioäquivalenzstudien nicht ausreichen und durch klinische Studien ergänzt werden müssen.

Neue Grundlagenbestandteile werden im Rahmen der EU-Regularien unabhängig von der Art der Verabreichung des Arzneimittels grundsätzlich wie neue Stoffe behandelt. Das heißt, dass auch für neue Hilfsstoffe das gesamte für Arzneistoffe notwendige toxikologische Profil zu untersuchen und zu belegen ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat es nach Straubes Einschätzung in den letzten 30 Jahren so gut wie keine neuen Hilfsstoffe für Topika mehr gegeben.

Pharmazeutische Entwicklung
von Topika ist sehr komplex


Dr. William Shang von der Firma Johnson & Johnson GmbH, Neuss, wies darauf hin, dass die pharmazeutische Entwicklung von Topika im Vergleich zu anderen Darreichungsformen deutlich komplexer ist. Von klinischer Bedeutung sind neben der Freisetzung des Wirkstoffs aus der Formulierung auch dessen Penetrations- und Permeationseigenschaften. Darüber hinaus müssen das klinische Bild der Erkrankung sowie die lokale Verträglichkeit und die kosmetischen Eigenschaften der Formulierung berücksichtigt werden.

William Shang

Dr. William Shang von der Firma Johnson & Johnson GmbH, Neuss, erläuterte, warum die pharmazeutische Entwicklung von Topika insgesamt deutlich komplexer ist als die von anderen Darreichungsformen.


Zu Beginn der Entwicklung stehen zunächst die physikochemischen Eigenschaften der Bestandteile sowie deren Kompatibilität im Vordergrund. Als Beispiele für wesentliche stabilitätsrelevante Parameter nannte Shang den Gehalt des Wirkstoffs über die Laufzeit, die Homogenität (Teilchen- beziehungsweise Tröpfchengröße), die Stabilität nach Öffnung des Behältnisses sowie Verunreinigungen und Interaktionen mit dem Primärpackmittel.

Alle diese Faktoren können noch zu einem späten Zeitpunkt der Entwicklung eine Umformulierung notwendig machen. Solche Änderungen, so Shang, seien insbesondere dann kritisch, wenn das Zulassungsverfahren bereits laufe. Denn nachträgliche galenische Änderungen könnten die Vergleichbarkeit mit der Formulierung in Frage stellen, die für die zulassungsentscheidenden klinischen Studien eingesetzt wurde.

Die regulatorischen Anforderungen an topische Dermatika in den wichtigsten Zielmärkten (EU, USA, Japan) beurteilte Shang insgesamt als heterogen und nicht harmonisiert. Zum einen wichen die Definitionen von Wirk- und Hilfsstoffen sowie die Anforderungen an deren Qualität zum Teil sehr stark voneinander ab, und zum anderen entsprächen die vorliegenden klinischen Guidelines zur Entwicklung von Dermatika nicht mehr dem Stand des Wissens.

Modifizierungen von Topika
gestalten sich meist mühsam


Die Modifizierung von Topika durch die Substitution von Hilfsstoffen ist auch nach den Erfahrungen von Professor Dr. Rolf Daniels, Institut für Pharmazeutische Technologie der Universität Tübingen, ein mühsames Unterfangen. Wenn durch Formulierungsänderungen versucht werde, die Zielparameter des Endproduktes zu optimieren (zum Beispiel zur Vermeidung von Inkompatibilitäten, zur Verbesserung der Stabilität, zum Erreichen der gewünschten biopharmazeutischen Eigenschaften oder zur Verbesserung der kosmetischen Akzeptanz), seien die Auswirkungen im Vorhinein kaum abzuschätzen.

Deshalb seien häufig mehrere Optimierungszyklen zu durchlaufen. Die Komplexität des Themas illustrierte Daniels anhand einer systematischen Optimierungsstudie, bei der an einem einfachen Beispiel, ausgehend von einem Carbomer-Gel mit drei unterschiedlich polaren Wirkstoffen (Coffein, Hydrocortison und Testosteron) und drei potenziellen Penetrationsbeschleunigern (Isopropylmyristat, Propylenglykol und Saccharosestearat), verschiedenste Effekte zutage traten.

Neue Technologien ermöglichen
verbesserte Grundlagen


Trotz der hohen regulatorischen Anforderungen wird sowohl im Hochschulbereich als auch in der pharmazeutischen Industrie und in der Rohstoffindustrie weiter an innovativen Trägersystemen und neuen Hilfsstoffen für topische Dermatika gearbeitet. Letzteres machte Dr. Anke Sieg von der Firma Dow Corning Europe SA in Seneffe, Belgien, am Beispiel spezieller Silikonverbindungen deutlich.

Allgemeine Eigenschaften der im medizinischen und pharmazeutischen Bereich vielseitig verwendeten Silkone sind chemische Stabilität, geringe Oberflächenspannung, geringe Viskosität, hohe Durchlässigkeit für Gase und andere Stoffe sowie eine sehr gute Hautverträglichkeit. Zudem lassen sich silikonhaltige Formulierungen aufgrund der Vielzahl chemischer Strukturen innerhalb der Silikonfamilie (zum Beispiel lineare Polymere, Harze, vernetzte Gele und Elastomere) mannigfach variieren.

In topischen Zubereitungen wirken viele gängige Silikonmaterialien allerdings nicht okklusiv. Wird diese Eigenschaft gewünscht, müssen geeignete organische Materialien mitverwendet werden. Am Beispiel einer Salbe mit dem Wirkstoff Betamethasondipropionat zeigte Sieg, dass okkludierende silikonhaltige Formulierungen hinsichtlich ihres sensorischen Profils und ihrer kosmetischen Akzeptanz Vorteile im Vergleich zu herkömmlichen Fettsalben aufweisen.

Innovative dermale Trägersysteme sind auch die im Arbeitskreis von Professor Dr. Christel Müller-Goymann am Institut für Pharmazeutische Technologie der Universität Braunschweig entwickelten Thermogele. Mit diesen kann für verschiedene Arzneistoffe eine erhebliche Verbesserung der Wirkstoffpenetration erzielt werden. Gezeigt wurde dies unter anderem für Ibuprofen und für 5-Aminolävulinsäure (5-ALA).

In Rezepturen sind galenische
Fortschritte zeitnah umsetzbar


Ein zehnprozentiges 5-ALA-Thermogel für die photodynamische Therapie kann als Rezeptur in der Apotheke hergestellt werden. Die Zusammensetzung und die Herstellungsweise des Gels wurden in DermoTopics, Ausgabe 1/2009, veröffentlicht. Die eingesetzten Hilfsstoffe – Poloxamer 407, Isopropanol, mittelkettige Triglyceride (Miglyol® 840), Wasser und Dimethylisosorbid – sind mittlerweile alle in pharmazeutischer Qualität verfügbar und werden mit den erforderlichen Analysenzertifikaten geliefert.

Für Privatdozentin Dr. Petra Staubach, Hautklinik Universitätsmedizin Mainz, die Leiterin der GD-Fachgruppe Magistralrezepturen, besitzt die dermatologische Rezeptur nach wie vor einen hohen Stellenwert. Mit ihr ließen sich individuelle Anforderungen der Patientengegebenheiten erfüllen, zeitnah neue therapeutische Optionen umsetzen und therapeutische Lücken schließen. Letzteres verdeutlichte sie an Rezepturbeispielen aus dem Neuen Rezeptur-Formularium (NRF; siehe Tabelle).

Tabelle: Beispiele für standardisierte Rezepturen ohne oder mit wenig Fertigarzneimittel-Alternativen

Einsatzbereiche und Zubereitungen

NRF-Vorschrift
PUVA-Therapie
Methoxsalen-Badekonzentrat 0,5 % (m/V)
Hydrophile Methoxsalen-Creme 0,0006 %


11.83.
11.96.

Pruritus-Therapie bei ausgeprägter
Symptomatik

Hydrophile Capsaicinoid-Creme
0,025 % / 0,05 % / 0,1 %



11.125.
Spreitendes Ölbad zum Einsatz bei
trockener Haut

Paraffin-Sojaöl-Bad

 

11.97.

Warzenbehandlung
Warzensalbe mit Dithranol (1 %) und
Salicylsäure (25 %)

 

11.31


Auch Rezepturen unterliegen
umfangreichen Vorschriften


Doch wie Fertigarzneimittel müssen auch dermatologische Rezepturen zahlreiche regulatorische Anforderungen erfüllen. So sollte, wie Dr. Kerstin Stephan vom BfArM empfahl, von der Apotheke vor der Herstellung einer Rezeptur zunächst geprüft werden, ob das herzustellende Produkt ein Arzneimittel oder vielleicht ein Kosmetikum ist. Denn die Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) gelten nur für die Herstellung von Arzneimitteln, während für die Herstellung von Kosmetika die Kosmetikverordnung (KosmetikVO) zu beachten ist.

Matz und Allgaier

Die wissenschaftlichen Tagungsleiter des Symposiums, Apothekerin Sibylle Matz und Professor Dr. Clemens Allgaier, bekräftigten in ihren Schlussworten die Bereitschaft des BfArM und der GD zur Fortsetzung des Dialogs auf dem Gebiet der Hilfsstoffe von topischen Dermatika. Zudem sprachen sie die Einladung an alle interessierten Fachleute aus, sich aktiv in die Arbeit der GD-Fachgruppe Sicherheitsbewertung und Verkehrsfähigkeit einzubringen.


Die ApBetrO fordert, dass Rezepturarzneimittel der ärztlichen Verschreibung entsprechen müssen. Vor allem bei nicht standardisierten Individualrezepturen kommen allerdings häufig Unklarheiten vor, die von der Apotheke im Rahmen der Plausibilitätsprüfung mit dem verordnenden Arzt abzuklären sind. Dafür kann eine im NRF hinterlegte Vorlage benutzt werden, die Dr. Holger Reimann vom Pharmazeutischen Laboratorium des NRF in Eschborn vorstellte.

Als Grundlage für die Qualitätssicherung dermatologischer Rezepturen könne, so Reimann, die von der GD herausgegebene und zuletzt im März 2013 aktualisierte Leitlinie „Dermatologische Rezepturen“ herangezogen werden. Sie unterstreiche die gemeinsame Verantwortung von Ärzten und Apothekern für die Qualität von Rezepturen und enthalte die Empfehlung, dass, wann immer möglich, standardisierte Rezepturen verordnet werden sollten, wie sie im NRF oder in anderen Rezeptursammlungen hinterlegt sind.

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