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Originalbeitrag
Bedeutung der Magistralrezeptur in Europa, USA und Südamerika
Eine Übersicht internationaler Verbände und Organisationen
G. Zück
Centro Tecnológico do
Medicamento in Portugal
1999
wurde von der portugiesischen Nationalen Apothekenorganisation ANF das Centro
Tecnológico do Medicamento CETMED (1) gegründet. Schwerpunkt
des CETMED ist die pharmazeutische Technologie. Zu den zahlreichen Aufgabengebieten
zählen vor allem Beratung und Information für Offizinapotheken
(Rezeptur-Hotline), Entwicklung von Forschungsprojekten auf pharmazeutisch
technologischem Sektor in Zusammenarbeit mit Industrie und Krankenhausapotheken
und die Schaffung eines aktuellen portugiesischen Formulariums. Das "Premio
Formulário Galenico Português" wurde Ende 2001 der Fachöffentlichkeit
vorgestellt.
Asociación Española de
Farmacéuticos Formulistas in Spanien
In Spanien widmet sich die Asociación Española de
Farmacéuticos Formulistas AEFF (2) der Koordination, Repräsentation,
Fortbildung und Interessenvertretung ihrer Mitglieder in den spanischen
Provinzen. Auf der übersichtlich gestalteten Hompage finden sich u.
a. Rezepturformularien mit Beratungshinweisen, Anleitungen zur Laborausstattung
und zur guten Herstellungspraxis, Manuale zur Qualitätskontrolle, Mitgliederverzeichnis
nach Regionen und Veranstaltungskalender.
Gegen Ende eines jeden Jahres findet ein wissenschaftlicher Kongress statt,
dessen Referenten verschiedene Themen der Rezepturpraxis in ihren Beiträgen
vorstellen. Vortragende aus USA sind regelmäßig vertreten. Eine
Frühjahrstagung (Granada 2006) rundet das Veranstaltungsprogramm ab.
Sponsoren der Organisation sind nationale Rohstofflieferanten, Laborgerätevertreiber
und eine Grosshandelskooperative.
Von rund 20 000 spanischen Apotheken sind ungefähr 3000 Apotheken mit
der Herstellung von Magistralrezepturen betraut. Von diesen wiederum fertigen
rund ein Drittel 90 Prozent aller landesweit hergestellten Formulierungen
an (persönliche Mitteilung). Eine Besonderheit des spanischen Apothekenwesens
ist eine spezielle behördliche Genehmigung, mit der bestimmte Apotheken
auf Anforderung autorisiert werden, Rezepturen an andere öffentliche
oder Krankenhausapotheken abzugeben.
Magistralrezeptur
in Holland und Belgien
Als vorbildlich in Sachen Magistralrezeptur gelten seit langem die Holländer.
LNA, das 1956 gegründete Laboratorium der Nederlandse Apothekers, ist
der Wegweiser in Rezepturfragen für die holländischen Kollegen.
Die Formelsammlung des LNA liefert die Grundlage für die meisten Magistralrezeptur-Verordnungen.Informationen
zur Tätigkeit des LNA liefert als Einstiegsseite im Internet die Adresse
www.winap.nl, die Homepage des Wetenschappelijk Instituut Nederlandse Apothekers.
Die Standardisierung
der Rezeptur ist in Holland weiter fortgeschritten als in Deutschland. Nicht
nur rein technische Fragen zu Zubereitungen, auch Fragen zur Abrechnung
von Dermatika-Rezepturen scheinen beim "LNA-helpdesk" eine große
Rolle zu spielen, wobei das niederländische Abrechnungssystem und die
Erstattungsfähigkeit von topischen Dermatika wesentlich komplizierter
geregelt sind als in der Bundesrepublik (3). Die zentrale Zubereitung von
Magistralrezepturen zur Abgabe an bestellende Apotheken scheint in den Niederlanden
geduldet zu sein (4, 5).
In Belgien erschien 2003 die erste Ausgabe des "Formulaire Therapeutique
Magistral", herausgegeben vom Service Public Fédéral
Santé Publique. Das FTM beinhaltet 65 dermopharmazeutische Rezepturen
und tritt an Stelle des Formularium Nationale (FN), welches von der Association
Pharmaceutique Belge (APB) bisher herausgegeben wurde.
Rat suchenden Apotheken in Belgien stehen mehrere Möglichkeiten der
Informationsbeschaffung in Sachen Rezeptur zur Verfügung: die "Helpdesks"
von Pharminnova (6) oder APB, das Pharmazeutisch Technologische Institut
der Universität Gent, oder, in Form eines offenen Forums, die "vraagbox"
(7) von Prof. Dr. R. Kinget, Emeritus am Institut für Farmacotechnologie
und Biofarmacie der Universität Leuven. Hier werden pro Jahr etwa 125
Anfragen aus allen Bereichen der Rezeptur beantwortet. Die Veröffentlichung
der Antworten erfolgt in Flämisch. Kontaktformulare in Flämisch,
Französisch und Englisch stehen auf der Homepage zur Verfügung.
Durch Aufsuchen des gut gegliederten Archivs findet man die Antwort auf
häufig gestellte Fragen.
Specials
manufacturers
in Großbritannien
Die Mehrzahl der Rezepturarzneimittel wird von britischen Apotheken als
"specials" bezogen, nicht lizensierte Arzneimittel, die von "specials
manufacturers" hergestellt, und meistens innerhalb von zwei bis drei
Tagen an die anfordernde Apotheke ausgeliefert werden. Auch Krankenhausapotheken
sind in diesem Arbeitsbereich tätig. Klinischen Pharmazeuten steht
das Forum der Compounding Interest Group (CIG), der Guild of Healthcare
Pharmacists (GHP), offen (8).
Gründe für den Rückgang der Eigenherstellung in den öffentlichen
Apotheken Großbritanniens findet man beim Studium der online-Ausgabe
von The Pharmaceutical Journal (9), Suchbegriffe: dispensing, extemporanously
preparation, peppermint water. Der "peppermint water case" ist
ein warnendes Beispiel für die Auswirkungen , die ein Rezepturfehler
mit katastrophalem Ausgang für die ganze Branche haben kann.
Magistralrezeptur
ein Marketingfaktor in Italien
Eine kürzlich aus Italien eingegangene Information besagt, dass kooperierende
größere Apotheken die Magistralrezeptur als Marketingfaktor entdeckt
haben. Im Rahmen der patientenorientierten und problemlösenden Medikationszubereitung
werden Pädiater und andere Facharztgruppen auf die Vorteile der Magistral-
und Individualrezeptur angesprochen (www.esserebenessere.it). Unterstützend
für die Rezepturbelange italienischer Kollegen/innen firmiert die Società
Italiana Farmacisti Preparatori (SIFAP), gegründet 1993 (10).
Magistralrezeptur
in USA
Seit etwa 20 Jahren interessieren sich US-Pharmazeuten zunehmend für
die Magistralrezeptur. Wirtschaftliche Aspekte, zum Beispiel die immer weiter
sinkende Spanne bei Abgabe von Fertigarzneimitteln, ebenso wie die Argumentation,
dass individuell hergestellte Präparate (customized medication) für
viele Patienten größeren Nutzen bringen als Fertigpräparate,
mögen als Gründe dafür gelten. Im Bereich der Rezeptur-Arzneimittel
sind die Preise frei gestaltbar, viele Krankenkassen erstatten sie nur teilweise
oder gar nicht, so dass die meisten Apotheken sie nur gegen Barzahlung ("cash
only") abgeben, eventuell unter Mitgabe eines Formulars zur Erlangung
einer Rückvergütung bei der Krankenkasse.
Eine weitere Besonderheit: US-Pharmazeuten dürfen spezialisierte Apotheken
betreiben, das heißt keine Voll-Apotheke im deutschen Sinn. So genannte
"Compounding-Only-Pharmacies" beschäftigen sich nur am Rande
mit der Abgabe von Fertigarzneimitteln, eher noch im Randsortiment mit Nahrungsergänzungsmitteln.
Ein Schwerpunkt der Rezepturtätigkeit stellt bei vielen US-Apothekern
zweifelsohne die "Natural Hormon-Replacement-Therapy" (NHRT) dar,
eine in Europa recht kontrovers diskutierte Methode der Diagnose und Therapie
sowohl weiblicher als auch männlicher Hormondysregulation und -defizite,
die sich nicht nur auf die Menopause beschränkt.
International
Academy of
Compounding Pharmacists
Als Interessensvertretung der "Compounding Pharmacists" wurde
1991 die "International Academy of Compounding Pharmacists" (IACP;
11), gegründet, eine privat organisierte Institution, die ihren Mitgliedern
in Fragen der Legislative, Versicherungsangelegenheiten, Management und
Fortbildung unterstützend zur Seite steht. 1997 erschien die erste
Edition des "International Journal of Compounding Pharmacists"
(IJPC). Herausgeber ist Prof. Dr. Loyd Allen, Emeritus der University of
Oklahoma.
IJPC (12) bietet eine bunte Mischung aus redaktionellen Beiträgen,
Literaturhinweisen, Stabilitätsstudien, Rezepturhinweisen und -formulierungen,
alles mit Fokus auf die Apothekenrezeptur. Hierbei irritiert gelegentlich
eine gewisse Unbekümmertheit, mit der selbst die potentesten Arzneimittel,
zum Beispiel in einer injektabilen Form, zur Rezeptur empfohlen werden oder
die Verarbeitung von in Deutschland als bedenklich eingestuften Wirkstoffe
üblich ist.
2003 wurde "Compounders Network Listserv" gegründet, ein
Forum für Pharmazeuten. CNL (13) zählt inzwischen mehr als 1100
Mitglieder, meistenteils US-Kollegen. Seit Ende 2004 bietet IJPC eine kostenpflichtige
Datenbank an: Compounding Today (14) ermöglicht den Abonnenten Zugriff
auf eine reichhaltige Auswahl von "Tools", wie standardisierte
Arbeitsanweisungen (Standard operating procedure - SOP), für den Rezepturgebrauch
und Tabellen und nicht zuletzt eine Literaturdatenbank zu Rezeptursubstanzen
und deren Niederschlag in der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur.
Aktuelle Pressemeldungen und ein wöchentlich erscheinender "Editor´s
Letter", verfasst von Prof. Dr. Loyd Allen, runden das Angebot ab.
Basisinformationen und mehr erhält man kostenfrei auf der Homepage
der Paddocks Laboratories unter dem Stichwort "Secundum Artem"
(15). Auf zahlreichen pdf-Dateien wird in Form von Lektionen ein Grund-
und Aufbaukurs der magistralen Rezepturformen angeboten, teilweise auch
mit Schwerpunktthemen wie "Compounding for Phonophoresis". Auch
über weniger geläufige Arzneizubereitungsformen wie "troches"
oder "lozenges" wird informiert.
Magistralrezeptur
in
Brasilien und Argentinien
"Farmácias magistrais" nennen sich die Apotheken in Brasilien,
die sich überwiegend mit Magistralrezepturen beschäftigen. ANFARMAG
(16), vor 20 Jahren gegründet, ist die Dachorganisation, deren etwa
5000 Mitgliedern ein weitgespanntes Leistungsspektrum angeboten wird. Fortbildungskurse
zum Erwerb der Fachbezeichnung "Titulo de Especialista em Manipulação
Magistral Alopática" (etwa: Fachapotheker/-in für Magistralrezeptur),
Seminare zur Qualitätssicherung und Selbstinspektion, Publikationen
zur Rezepturpraxis, Stellenvermittlung und Ausrichtung von pharmazeutischen
Ausstellungen und Kongressen seien als wichtigste genannt.
Das IJPC veröffentlicht eine eigene brasilianische Ausgabe. Zur Größenordnung:
In den etwa 5800 spezialisierten brasilianischen Apotheken arbeiten rund
17000 approbierte Apotheker(innen). Dermopharmazeutische und dermokosmetische
Zubereitungen spielen eine Hauptrolle in der brasilianischen Rezeptur.
Die "Asociación de Farmacéuticos Formulistas Argentinos"
(FORMULAR), repräsentiert die Apotheken in Argentinien, die Individual-
und Magistralrezepturen in nennenswertem Umfang betreiben. Von etwa 15000
argentinischen Apotheken bietet etwa ein Drittel Rezepturaktivitäten
als Teil ihres Leistungsspektrums an (schriftliche Mitteilung). FORMULAR
hat zur Zeit etwa 100 Mitglieder (17).
International
Society of
Pharmaceutical Compounding
Im November 2004 wurde die International Society of Pharmaceutical Compounding
(ISPhC) gegründet (18). Hochgestecktes Ziel dieser Vereinigung ist
die Förderung der pharmazeutischen Rezeptur weltweit. Die Kommunikation
erfolgt in Englisch und Spanisch, für Mitglieder steht ein Chatroom
zur Verfügung. Hier können einem weltweiten Forum Fragen unterbreitet
werden. Die Erwiderungen werden ebenfalls online veröffentlicht.
Ähnlichkeiten mit dem CNL sind nicht zufällig, gehört doch
Prof. Dr. Loyd Allen zu den Gründern der Vereinigung. Auf einer ebenfalls
nur Mitgliedern zugänglichen Seite können Vorträge und Präsentationen
abgerufen werden (z. B. die Vollversion des AEFF-Kongressberichtes 2005).
Die Mitglieder, zur Zeit etwa 500, sind aufgefordert, Mitteilungen über
wichtige nationale Kongresse und Ereignisse von internationalem Interesse
an den List-Serve Manager Dr. Diego Marro zur Veröffentlichung weiterzugeben.
Im Rahmen des FIP-Kongresses 2006 (19) in Salvador de Bahia (Brasilien)
wird sich ISPhC mit einem Satelliten-Symposium präsentieren. Bekanntheitsgrad
und nationale Zugehörigkeit der Mitglieder sind momentan noch stark
ibero-amerikanisch geprägt, östlich der Pyrenäen (Belgien
ausgenommen) scheint das Interesse der Fachöffentlichkeit noch gering
zu sein. Vielleicht ermuntert dieser Hinweis den Einen oder Anderen dazu,
einmal einen Blick über den Tellerrrand zu wagen - vielleicht tun sich
interessante Perspektiven auf.
Quellenangaben
1. www.anf.pt/site/index.php?page=data/anf/cetmed.php
2. www.formulamagistral.com/
3. www.huidziekten.nl/formularium/magistraal/framemagistraalplusfna.htm
4. www.ceban.nl
5. www.magistraal.nl/magistraal/index.cfm
6. www.pharminnova.be/fr/10003
7. http://pharm.kuleuven.be/pharbio/vraagbox.htm
8. www.ghp.org.uk/default.asp?cid0394&ed08593
9. www.pjonline.com/search/index.asp?q=peppermint+water+case
10. www.sifap.org/
11. www.iacprx.org/site/PageServer?pagename=home_page
12. www.ijpc.com/
13. http://lists.ijpc.com/archives/network.html
14. www.compoundingtoday.com/
15. www.paddocklabs.com/compounding.html
16. www.anfarmag.com.br/home.php
17. Kontakt: formular@sion.com, Aldo Mario Naddeo
18. www.isphc.com/
19. www.fip.org/CONGRESS/brazil2006/
Anschrift
des Verfassers
Apotheker Gerhard Zück
Faust-Apotheke
Stuttgarter Str. 18
D-75438 Knittlingen
E-Mail: faust-apo@t-online.de
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