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  Ausgabe 1 (2003)

Dermopharmazie aktuell
Pharmakoökonomie
Ökonomische Bedingungen für die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln liegen europaweit im Trend


Thomas Müller-Bohn, Süsel

Was gibt es Neues in der Pharmakoökonomie? Eine umfassende Übersicht, sowohl über die wissenschaftlichen als auch über die gesundheitspolitischen Aspekte dieses interdisziplinären Arbeitsgebietes, bot die 5. Europakonferenz der International Society for Pharmacoeconomics and Outecomes Research (ISPOR), die im November letzten Jahres in Rotterdam stattfand. Einen Schwerpunkt bildeten die Regelungen zur Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln. Es scheint, als sei der grundsätzliche Trend zu dieser vierten Zulassungshürde europaweit nicht mehr aufzuhalten, so unterschiedliche Wege in den einzelnen Länder auch beschritten werden.
In drei Plenumveranstaltungen, zehn Foren, über 20 Workshops und etwa 50 Einzelpräsentationen erfuhren die rund 800 Konferenzeilnehmer darüber hinaus Neuigkeiten über die weitere Entwicklung pharmakoökonomischer Methoden und deren Anwendung bei den verschiedensten Indikationen beziehungsweise Arzneimitteln. Unter den Hunderten von Postern waren elf zu spezifisch dermatologischen Fragestellungen zu finden, insbesondere zur Lebensqualität und zur Pharmakotherapie bei Psoriasis.

Pharmakoökonomie in der
Dermatologie noch eine Nische

Obwohl stärker vertreten als bei früheren ISPOR-Veranstaltungen, stellt die Dermatologie in der Pharmakoökonomie offenbar noch immer eine Nische dar. Denn einerseits sind dermatologische Erkrankungen meist nicht lebensbedrohlich, und andererseits bilden gerade die wichtigen Nuancen der Lebensqualität methodisch eher undankbare Erfolgsgrößen. Vermutlich wird aber auch die Bedeutung dermatologischer Erkrankungen für die Lebensqualität unterschätzt. Dies legt zumindest das Poster von Chris Bingefors, Universität Uppsala, nahe. Ihre Befragungen lassen erkennen, dass dermatologische Erkrankungen die Lebensqualität stärker beeinträchtigen als frühere Untersuchungen erwarten lassen.


GD-Mitglied Thomas Müller-Bohn ist als Apotheker und Diplomkaufmann Experte für Fragen der Pharmakoökonomie. Außerdem arbeitet er als Fachjournalist für die Deutsche Apothekerzeitung und seit kurzem auch für DermoTopics.

Doch gerade weil die Dermatologie in der Pharmakoökonomie noch unterrepräsentiert scheint, sollten Dermatologen und die dermatologisch orientierte pharmazeutische Industrie diese Disziplin genau verfolgen. Denn erst methodisch anspruchsvolle Verfahren unter Berücksichtigung der Lebensqualität versprechen hier Erfolg. Die Pharmakoökonomie wird als vierte Zulassungshürde alle neuen Arzneimittel treffen, so dass auch die Dermatologie hierfür ein Instrumentarium benötigt.

Es besteht sogar berechtigte Hoffnung, dass durch aussagekräftigere Methoden zur Bestimmung der Lebensqualität bessere Chancen für die arzneimittelrechtliche Zulassung neuer Arzneimittel bestehen, speziell für die Überwindung der Hürde des Wirksamkeitsnachweises. Denn für verschiedene Indikationen, zum Beispiel Tumorerkrankungen, Morbus Parkinson und stabile Angina pectoris, hat die europäische Zulassungsbehörde EMEA die Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bereits als primären Studienendpunkt akzeptiert.

Pharmakoökonomie als
vierte Zulassungshürde

Die pharmakoökonomischen Betrachtungen beziehen sich jedoch auf die vierte Hürde, das heißt auf die ökonomische Effektivität des Arzneimitteleinsatzes. Nur in wenigen Ländern sind solche Daten bisher eine unbedingte Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit. Sie können jedoch zumindest in die Entscheidungsprozesse eingehen, oder auf ihrer Grundlage werden Empfehlungen ausgesprochen, so beispielsweise durch das britische National Institute for Clinical Excellence (NICE). In vielen weiteren Ländern werden derartige Regelungen vorbereitet.

Doch betonten sowohl Wissenschaftler als auch der niederländische Gesundheitsstaatssekretär Léon Wever als Vertreter der Politik, dass die vierte Hürde nicht als Instrument zur Kostensenkung gesehen werden sollte. Sie diene vielmehr der Transparenz. So könne gegenüber allen gesellschaftlichen Gruppen anhand eines reproduzierbaren Verfahrens dokumentiert werden, dass die Finanzmittel des Gesundheitssystems für Arzneimittel nach wirtschaftlich sinnvollen Kriterien ausgegeben werden.

Wie hoch ist die Hürde?
Sofern das Vorgehen transparent ist und die Details der Bewertung im Einvernehmen mit der Industrie festgelegt werden, muss dies für die Industrie kein Nachteil sein. Allerdings dürfen die Kosten für die Erhebung pharmakoökomischer Daten nicht den Nutzen der Information übersteigen, wenn die vierte Hürde einen gesellschaftlichen Nutzen bringen soll.

Außerdem ist zu fragen, welche Grenze für die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln und anderen therapeutischen Verfahren gelten soll. Offensichtlich besteht Einvernehmen zwischen den Beteiligten, das Maß als Geldbetrag pro qualitätsbereinigtem Lebensjahr (QALY) auszudrücken, doch bleibt der Betrag offen. In der Literatur wurde 1992 erstmals ein Wert von 50.000 kanadischen Dollar je QALY diskutiert. Durch wechselseitiges Zitieren gelten Beträge in dieser Größenordnung inzwischen als weitgehender Konsens, obwohl eine wissenschaftliche Begründung hierfür nicht besteht. In Großbritannien gilt der höhere Betrag von 30.000 britischen Pfund je QALY als Grenzwert für die Arbeit des NICE.

Zahlreiche Einflussgrößen
sind zu beachten

Eine solche Zahl kann jedoch stets nur als grobe Orientierung dienen. Denn sowohl die ermittelten Kosten als auch die QALYs hängen von den Berechnungsmethoden sowie von vielfältigen Annahmen und Einflussgrößen ab. So mahnte beispielsweise Paul Kind, Universität York, bei der Bewertung der Lebensqualität stets die sozialen Präferenzen in dem jeweiligen Land zu berücksichtigen und nicht etwa die Einschätzung der Forscher heranzuziehen. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Ergebnisse pharmakoökonomischer Studien oft nur schwer auf andere Länder übertragbar sind.

Häufig wird jedoch die Effektivität einer Maßnahme noch nicht als hinreichende Bedingung für ihre Realisierung akzeptiert. Es muss auch das Budget dafür vorhanden sein. So werden in der Praxis mitunter kosteneffektive Maßnahmen, die viele Patienten betreffen, den Einzelnen aber nur wenig Geld kosten, der Eigeninitiative überlassen, während andererseits weniger effektive Maßnahmen finanziert werden, die nur wenige Patienten betreffen, aber aus ethischen Gründen nicht zurückgewiesen werden.

Neue Wege für die Zukunft
Eine intelligente Idee, die vierte Hürde zu vermeiden, bilden Risk-Sharing-Modelle, wie sie Adrian Towse, London, vorstellte. Dabei können die Preise eines Arzneimittels beispielsweise nachträglich gesenkt werden, wenn dies nicht hinreichend effektiv wirkt oder die Lebensqualität der Patienten nicht in dem erwarteten Maß erhöht. Wenn die Hersteller von ihrem Produkt überzeugt sind, dürften sie solche Vereinbarungen nicht scheuen. So verspricht die Pharmakoökonomie noch viele interessante Ideen, damit künftige Patienten von wirksamen und bezahlbaren Therapien profitieren können.


Buchtipp zum Thema


T. Müller-Bohn, V. Ulrich:
Pharmakoökonomie - Einführung in die ökonomische Analyse der Arzneimittelanwendung.
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2000.
208 Seiten mit 20 Abbildungen und acht Tabellen, kartoniert. € 29,70. ISBN 3-8047-1761-6




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