Suchen | Feedback | Inhalt | English
 
 
Organ der
 

GD — Gesellschaft für Dermopharmazie e.V.

   
 

Home
Ausgabe:
1/2016
1/2015
1/2014
1/2013
1/2012
2/2011
1/2011
1/2010
1/2009
1/2008
2/2007
1/2007
2/2006
1/2006
2/2005
1/2005
2/2004
1/2004
2/2003
1/2003
2/2002
1/2002
4/2001
3/2001
2/2001
1/2001
1/2000
 
 
 
Weitere Links:
 
 
Gesellschaft für
Dermopharmazie
 
 
 
 
 

 

 

Ausgabe März 2001



Autorenbeitrag
Rudolf Völler
Off-label Use und Compassionate Use in der Dermatologie


Straf- und haftungsrechtliche Risiken für Arzt und Apotheker


Die Herstellung von Arzneimitteln im Einzelfall und auf Verschreibung von Ärzten durch die Apotheken ist historisch verankert. So gab es in beiden Teilen Deutschlands seit Jahren anerkannte Formularien oder Rezeptursammlungen, die Arzneibücher enthalten Rezepturen mit anerkannter Nutzen-Risiko-Relation. Strafrechtliche und zivilrechtliche Probleme sind beim Inverkehrbringen dann erkennbar, wenn bei der Herstellung oder Applikation elementare Fehler gemacht werden. Eine höchstrichterliche Entscheidung hat inzwischen einen Verstoß durch den Arzt erkannt, wenn er ein bedenkliches Arzneimittel verschreibt. Nach wie vor können Arzneimittel ohne Zulassung im Einzelfall durch die Apotheke hergestellt und in der Apotheke an den Patienten abgegeben werden. Nähere Einzelheiten regelt die Apothekenbetriebsordnung.
Das Arzneimittelgesetz sieht den Einsatz nicht zugelassener Arzneimittel ausdrücklich vor, die Abgabe ist ausschließlich durch Apotheken vorgesehen, nimmt man Arzneimitteln aus, die zur klinischen Prüfung bestimmt sind.

Anders als im angloamerikanischen Sprachraum gibt es in Deutschland keine ausdrückliche Regelung, wie zu verfahren ist, wenn Arzneimittel und Substanzen, die in einem bestimmten Indikationsgebiet noch nicht erprobt wurden, im Einzelfall anzuwenden sind. Die individuelle Nutzen?Risiko?Abwägung nimmt der Arzt vor. Er muss sich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft richten. Der Apotheker, der dieses Rezept zunächst beliefern muss (§ Apothekenbetriebsordnung) erfüllt mit dem Herstellen zum Verkauf den Tatbestand des lnverkehrbringens. Die einschlägigen Normen des Arzneimittelgesetzes greifen unmittelbar. Die für das Inverkehrbringen verantwortliche Apothekenleitung hat die Pflicht zu prüfen, ob das Arzneimittel verkehrsfähig ist oder nicht. Der Arzt muss in diesem Zusammenhang auf bestimmte Probleme und Hintergründe hingewiesen werden, damit er die Nutzen-Risiko-Abwägung sinnvoll und aktuell vornehmen kann. Seine eigene Verpflichtung, sich entsprechend auf dem Laufenden zu halten bleibt davon unberührt.

§ 5 Verbot bedenklicher Arzneimittel

(1) Es ist verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen.
(2) Bedenklich sind Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

Zunächst muss man feststellen, dass die individuelle Umwidmung eines Arzneimittels durch den Arzt in der Regel durch die ärztliche Freiheit abgedeckt ist, es ist aber auch zu betonen, dass in diesem Fall standesrechtliche Bestimmungen und Normen des Strafrechts anzuwenden sind. Zum Beispiel kann der Straftatbestand der fahrlässigen Körperverletzung erfüllt sein. Die Frage, ob das Arzneimittelgesetz beim Verschreiben von Arzneimitteln anzuwenden ist, das Verschreiben also ein Teil des Inverkehrbringens ist wurde in der Vergangenheit gerichtlich geprüft. Nachfolgend zitiere ich aus einer Mitteilung des NRF Dezember 2000:

Vorläufige Hinweise zu:
Umstrittene Rezepturen
Apotheken erhalten häufig ärztliche Verordnungen über umstrittene Arzneimittelrezepturen. Hierbei liegt die Herstellung in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen der ärztlichen Therapiefreiheit und dem übergeordneten strafbewehrten Verbot des Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel (1-10). Es ist im übrigen anzunehmen, dass sich der verschreibende Arzt als Mittäter oder Teilnehmer an der Tat des Apothekers ebenfalls strafbar macht. Dies ergibt sich durch Analogieschluss aus der seitens des Bundesministeriums der Justiz geteilten und durch die Rechtsprechung bestätigten (Beschluss 13 B 350/96 vom 21. Mai 1996 des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen) Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Gesundheit betreffend die ärztliche Verschreibung bedenklicher Arzneimittel: Demzufolge ist der Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 5 AMG gegeben, da die bedenklichen Arzneimittel mit Wissen und Wollen des Arztes in den Verkehr gelangt seien und ohne seinen Tatbeitrag ? nämlich die Ausstellung der Rezepte — nicht in den Verkehr hätten gelangen können (9). Die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt dies (11).

Bei umstrittenen Rezepturen sollen entsprechende Probleme deshalb gemeinsam mit dem Arzt beseitigt werden (12). Je nach Einzelfall kann es notwendig sein, dass der Arzt nicht nur fernmündlich über die Notwendigkeit der Medikation informiert. Der Apotheke sollte bei Bedarf vielmehr eine schriftliche Begründung ausgestellt werden, welche im Sinne einer individuellen Nutzen?zu?Risiko?Beurteilung insbesondere unter Berücksichtigung eventueller, risikoärmerer therapeutischer Alternativen die Erfordernis nachvollziehbar plausibel macht. Es versteht sich von selbst, dass in entsprechenden Fällen eine erhöhte Sorgfaltspflicht beim Verschreibenden und der herstellenden Apotheke unterstellt wird und dies im Haftungsfalle und unter strafrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht unberücksichtigt bleiben dürfte. Hierzu eignenen sich die im NRF dafür vorgesehenen Formblätter (Abb. 1.5.- 1 in Abschnitt 1.5. der Allgemeinen Hinweise zum NRF.


Diese Entscheidung bindet ausdrücklich den Arzt in den Vorgang des Inverkehrbringens von Arzneimitteln ein. Denn bisher war in erster Linie die Apotheke im Falle eines Verstoßes der Strafverfolgung ausgesetzt. In dem Moment, wo der Arzt oder der Patient Arzneimittel durch Dritte erhält, findet ohne Zweifel ein Inverkehrbringen statt. Die Tatbestände des Arzneimittelgesetzes - das wörtlich Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln heißt - sind einschlägig. In der Regel ist es also der Apotheker, welcher sich mit der Frage beschäftigen muss, was zulässig ist oder was nicht.

Besonders im Zusammenhang mit den Schlankheitspille, die mit nicht immer nachvollziehbaren Indikationen verschrieben, abgegeben wurden und Menschen gefährdet und getötet haben, wurde die Frage der ärztlichen Freiheit — sie ist im Grundgesetz niedergeschrieben — diskutiert.

Unbestritten gilt: ärztliche Freiheit ist keine Narrenfreiheit. Dennoch muss man anerkennen, dass besonders in der Therapie von Menschen keine gleichen Bedingungen gelten und es immer individuelle Schwankungen geben muss. Jedes Arzneimittel hat Nebenwirkungen, eine individuelle Situation kann in dem einen Fall einen höheren Grad der Belastung rechtfertigen, als in einer anderen scheinbar gleichen Lage. Es gilt aber grundsätzlich: Bei der Vielzahl der Medikamente ist aber zunächst nach Alternativen zu suchen, hier ist der Apotheker gefragt. Übrigens ist wenig bekannt, dass im Veterinärbereich die individuelle Rezeptur nur dann zulässig ist, wenn kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht!

§ 8 Verbote zum Schutz vor Täuschung

(1) Es ist verboten, Arzneimittel herzu stellen oder in den Verkehr zu bringen, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind oder mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn
a) Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt wer den, die sie nicht haben,
b) fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann oder daß nach bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten,
c) zur Täuschung über die Qualität geeignete Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen verwendet werden, die für die Bewertung des Arzneimittels mitbestimmend sind.

Eine wichtige Hilfe wurde am 5./6. März durch des Ausschuß für Apotheken-, Arzneimittelwesen und Medizinprodukte (AAAMP) der Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten der Bundesländer gegeben.

Sie beginnt mit dem Grundsatz-Statement:

1. Der Apotheker ist verpflichtet, das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die von ihm nach Bewertung aller Umstände als bedenklich eingestuft werden müssen, abzulehnen. Die Verbotsvorschrift des § 5 Abs 1 AMG hat Vorrang vor dem Gebot des § 17 Abs 4 ApoBetrO und der Therapiefreiheit des Arztes. Im Falle der Verordnung von Arzneimitteln, die bedenklich sind, hat der Apotheker die Abgabe zu verweigern und hierüber den Arzt zu informieren.

Hieraus ergibt sich in bemerkenswerter Klarheit, dass der Apotheker die letzte und entscheidende Instanz beim Inverkehrbringen von Arzneimitteln ist. Der Ausschuss wird aber noch deutlicher:

2. Im Falle individueller Verordnungen ist grundsätzlich von einer Bedenklichkeit auszugehen, wenn die verordnete Rezeptur Stoffe enthält, die in Anbetracht einer Nutzen?Risiko?Relation negativ bewertet worden sind oder die Rezeptur mit einem Fertigarzneimittel vergleichbar ist, dessen Zulassung aus gleichem Grund ruht oder widerrufen worden ist. Das gilt auch für Arzneimittel, die durch Gutachten z.B. einer Zulassungsbehörde bzw. einer Arzneimittelkommission der Ärzte oder Apotheker als bedenklich eingestuft worden sind.

Hiermit wird festgestellt, dass mit Bekanntwerden dieser Fakten, eine Diskussion mit dem Arzt nicht mehr zu führen ist. Eine Missachtung dieser Einstufung bedeutet die Erfüllung eines Straftatbestandes, bei Bekanntwerden dieser Abgabe ist die Strafverfolgung einzuleiten. Im Schadensfall ergibt sich darüber hinaus bezüglich der Schuld- und damit der Haftungsfrage kein Erörterungsbedarf, der Inverkehrbringer ist verantwortlich.

Hinzu kommt: Die gesetzliche Gefährdungshaftung des § 84 ff AMG entfällt, denn Rezepturarzneimittel, Arzneimittel die im Rahmen der 100er-Regel hergestellt worden sind und Arzneimittel, die außerhalb des Indikationsbereiches angewandt werden sind von dieser Regelung ausgenommen. Eine Klarstellung hat der Ausschuss dann noch vorgenommen:

3. Arzneimittel deren Negativ-Monographie auf fehlendem Erkenntnismaterial oder nicht nachgewiesener Wirksamkeit beruht, ohne dass Risiken bekannt wären, sind nicht als bedenklich im Sinne des § 5 AMG einzuschätzen.

Die Situation wird besonders interessant, wenn Entwicklungen neuer Substanzen den Wunsch wecken, den Stoff möglichst früh einzusetzen.

Grundsätzlich möchte ich betonen, dass es nicht zu verantworten ist, Stoffe einzusetzen, bei denen Nutzen-Risiko-Bewertung noch nicht möglich ist. Auch in einzelnen Ausnahmen muss es die Regel sein, die Verfahrensschritte bei der Entwicklung neuer Arzneimittel (GLP; GCP; GMP) soweit wie möglich abzuarbeiten, bis eine nach Stand der Wissenschaft vertretbar sichere klinische Bewertung möglich ist. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die klinischen Prüfungen zwar Wirkungen evaluieren können, eine sichere Ermittlung von unerwünschten Wirkungen (Inzidenz 1: 10.000 aufwärts) nicht möglich ist.

Verfahrensschritte bei der Entwicklung neuer Arzneimittel:

o Bewertung nach GLP
o Pharm-Tox. In der Präklinik nach GLP
o Klinische Prüfung Phase 1-3
o Zulassung
o gezielte Beobachtung und Berichtspflichten.

Bei neuen Substanzen ist eine zuverlässige Nutzen/Risiko-Abwägung also das Problem Nr. 1. Die Planung und Durchführung der Anwendung sollte zudem grundsätzlich die wesentlichen Bedingungen klinischer Prüfungen erfüllen. Eine Aufklärung des Patienten sowie dessen Einwilligung sind ein Muss.

Die Herstellung der Medikation erfolgt durch die Apotheke, in der das Arzneimittel abgegeben wird. Das Inverkehrbringen neuer Substanzen wirft dann Probleme auf, wenn sich hinter dem Behandlungskonzept ein "Sponsor" befindet, der ein systematisches Anwenden neuer Arzneimittel propagiert. Jetzt ist nicht mehr der einzelne behandelnde Arzt der Initiator, vielmehr entsteht zumindest ein "Anfangsverdacht", dass ein neues Behandlungskonzept ohne wissenschaftlich fundierte Erprobung eingesetzt werden soll (z.B. wurden Herstellungsschritte künstlich ausgenommen und die Finalisierung der Medikation (Apotheke wird dabei Pharmazeutischer Unternehmer), um die klinische Prüfung oder das Zulassungsverfahren zu vermeiden.)

Bei Rezepturen hat sich da Neue Rezeptur-Formularium der Frage angenommen, wie mit der Beurteilung und Herstellung der Apotheke eine Hilfe gegeben werden kann.

NRF Neues Rezeptur-Formularium

Herausgeber: ABDA — BUNDESVEREINIGUNG DEUTSCHER APOTHEKERVERBÄNDE
Pharmazeutisches Laboratorium


Carl-Mannich-Straße 20
Postanschrift: Postfach 5360
65760 Eschborn 65728 Eschborn
Telefax:06196/928-330
Email: nrf@govi.aponet.de

Von dort wurden die NRF-Vorschriften überarbeitet:

Zitat aus einer Veröffentlichung:

1.5. Obsolete bzw. umstrittene Rezepturen und unerwünschte Arzneimittelwirkungen
1.5.1. Entfallene Vorschriften


Bei Vorschriften des NRF wird der Anspruch erhoben, dass die entsprechenden Rezepturen möglichst ohne weiteres im üblichen Apothekenbetrieb hergestellt werden können, dass sie unbedenklich sind und die erforderliche Qualität aufweisen. Veränderungen im Angebot geeigneter Ausgangsstoffe und Packmittel, veränderte Beurteilungskriterien, auf Grund besserer Analysenverfahren neu definierte pharmazeutische Qualitätsmerkmale sowie der fortschreitende pharmakologische und toxikologische Erkenntnisstand erfordern nicht nur eine an hohen Standards orientierte Auswahl bei neuen Vorschriften, sondern auch eine regelmäßige Überprüfung bereits publizierter Monographien.

Deshalb sind seit Bestehen des NRF zahlreiche Vorschriften reformuliert worden, um die Stabilität einschließlich dem Schutz vor mikrobiellem Verderb zu verbessern, die Herstellung zu erleichtern, unerwünschte Wechselwirkungen mit Packmitteln zu vermeiden, die Dosiergenauigkeit zu verbessern, die Kennzeichnung zu aktualisieren oder unerwünschte Arzneimittelwirkungen auszuschließen. In manchen Fällen kann aber nicht erwartet werden, dass sich bestehende Zweifel und Bedenken durch eine Überarbeitung der Vorschrift ausräumen lassen, und die Monographie muss dann folgerichtig aus dem NRF entfernt werden. Da immer wieder nach solchen entfallenen Rezepturen gefragt wird, sind bei der Aufstellung in Tabelle L5.?1 die betreffenden Gründe kurz angegeben. Ob ausnahmsweise doch nach entfallenen Vorschriften rezeptiert werden darf, kann nur im Einzelfall beurteilt werden (vgl. Abschnitt 1.5.2.).

1.5.2. Umstrittene, potentiell bedenkliche und problematische Rezepturen

Insbesondere bei der nicht an standardisierten Vorschriften orientierten Individualrezeptur treten in der Praxis häufig Verordnungen auf, bei denen der Apotheker die erforderliche Qualität nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln nicht sicherstellen kann, sowie solche, bei denen sich aus unterschiedlichen Gründen Unklarheiten ergeben. Die Entscheidung, ob Bedenken bestehen oder ob die Rezeptur auf Grund der Nutzen-Risiko-Abwägung dennoch angefertigt werden soll, muss gemeinsam mit dem verschreibenden Arzt gefunden werden. Ein so genannter" Haftungsausschluss " in dem Sinne, dass der Arzt nach Aufklärung über die Schwierigkeiten seinerseits die Verantwortung und Haftung für die Rezeptur übernimmt, ist juristisch nicht zulässig (1).

Der Prozess der Entscheidungsfindung sollte jedoch nachvollziehbar dokumentiert werden. Diese Dokumentation und die dazu notwendige Kommunikation mit dem verschreibenden Arzt soll durch das vorgeschlagene Formblatt nach Abb. 1.5.-1 erleichtert werden.

Eine Hilfe bei der Beurteilung sind die in Monographien veröffentlichten oder vorveröffentlichten Ergebnisse bzw. Zwischenergebnisse der Aufbereitung wissenschaftlichen Erkenntnismaterials für die Nachzulassung der so genannten Altarzneimittel durch Kommission beim Bundesgesundheitsamt bzw. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (3) sowie die regelmäßigen Informationen der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker und sonstige Berichte in den Fachzeitschriften. Eine listenartige, aktuelle, umfassende, differenzierte und allgemein anerkannte Aufstellung problematischer Bestandteile liegt bisher nicht vor.


Von dieser Einrichtung werden auch regelmäßig konkrete Themen aufgegriffen und kommentiert.

Beispiel:

Vorläufige Hinweise zu:
Phenol-Lösung zur Anwendung bei eingewachsenen Nägeln


Rezepturen mit Phenol als Arzneistoff zur kutanen Anwendung sind grundsätzlich als bedenklich anzusehen. Laut Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind nach derzeitigem Erkenntnisstand zumindest zwei dort konkret angefragte Ausnahmen für arzneiliche Anwendungen zu rechtfertigen. Es handelt sich um die Sklerosierungsbehandlung bei Hämorrhoiden und die Anwendung als neurolytisches Agens. Siehe auch die Vorläufigen Hinweise aus dem Pharmazeutischen Laboratorium des NRF zu "Phenol in Dermatika" und zu "Umstrittene Rezepturen ".

Diese Informationen stehen dem Arzt und dem Apotheker zur Verfügung, um sich systematisch über die Bewertung eines Arzneimittels zu informieren. Die neuen Medien bieten weitere Möglichkeiten, eine systematische Internet ? Recherche dürfte allerdings ziemlich aufwendig sein. Etwaige als bedenklich eingestufte Rezepturen werden nach Bewertung und auch Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel, und Medizinprodukte (BfArM) von der Arzneimittelkommission der Apotheker bekanntgemacht. Damit ist das Verschreibungsverbot und Herstellungsverbot / Verbot des Inverkehrbringens festgeschrieben. Diese Vorgabe bindet auch die Behörden, so dass eine "Genehmigung" durch die Landesbehörde nicht möglich ist.

Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens

§ 3a Unzulässig ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten.

Wie ist es nun bei zugelassenen Arzneimitteln? Sobald ein Arzneimittel bei einer anderen Indikation oder einer anderen Personengruppe (Kinder) angewendet wird (Off-Label-use), ist eine neue Zulassung oder eine Änderung der Zulassung erforderlich. Hier gilt das bereits Gesagte ebenfalls, eine Beurteilung des Nutzen / Risiko-Verhältnisses ist häufig einfacher, da bereits umfangreich Datenmengen vorliegen. Eine Bedenklichkeit kann aber auch bei zugelassenen Arzneimitteln vorliegen, wenn nur die Indikations-Beschränkung auf besonders schwere Krankheitsbilder das Inverkehrbringen rechtfertigen. Die Regelungen der Gefährdungshaftung des Arzneimittelgesetzes dürften im Schadensfall nicht anwendbar sein, da der bestimmungsgemäße Gebrauch den Einsatz im Indikationsgebiet vorsieht. Abschließend muss auf das Heilmittelwerbegesetz verwiesen werden, das Werbung für nicht zugelassene Indikationen verbietet.

Generell lässt das Strafgesetzbuch in Ausnahmesituationen Abweichungen von Gesetzen zu: Rechtfertigender / gesetzlicher Notstand (§ 34 StGB):

"Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden".

Ein Unterlassen dieser Hilfeleistung kann auch juristisch verfolgt werden (Unterlassene Hilfeleistung).

Es empfiehlt sich in diesen Fällen, die zuständige Behörde zu beteiligen bzw. mit der Staatsanwaltschaft Kontakt aufzunehmen und eine Abstimmung herbeizuführen. Übrigens kann dann eine unmittelbare Abgabe der Medikation durch den pharmazeutischen Unternehmer an den Arzt möglich sein (Analogie zum Vertriebsweg bei klinischen Prüfungen).

Der Gesetzgeber ist gefordert, über Möglichkeiten nachzudenken, die Einzelfälle erfassen, bei denen eine Anwendung einer noch nicht abschließend geprüften Substanz erforderlich ist.

Ein Beispiel ist die Regelung in den USA, in der die Grundsätze verantwortungsvollen Handelns formuliert sind, die in Deutschland aber noch nicht in geltendes Recht umgesetzt worden ist.

Compassionate use

"Compassionate or named patient use of a drug

  • should be strictly controlled by the company responsible for providing the drug and
  • should ideally be the subject of the protocol.

The company should

  • provide the prescribing physician with suitable forms and
  • remind him / her of the requirement to
  • report suspected adverse drug reac tions to the company and / or to the appropriate competent authority.

Companies should

  • continuously monitor the balance of benefit and risk of drugs used under such conditions and
  • follow the national requirements for reporting to the appropriate competent authorities."


Zum Schluß noch ein paar Worte zur Herstellung in der Apotheke. Die Herstellung von Arzneimitteln im Einzelfall und auf Verschreibung von Ärzten durch die Apotheken ist historisch verankert. So gab es in beiden Teilen Deutschlands seit Jahren anerkannte Formulanen oder Rezeptursammlungen, die Arzneibücher enthalten Rezepturen mit anerkannter Nutzen/Risiko-Relation. Strafrechtliche und zivilrechtliche Probleme sind beim Inverkehrbringen derartig anerkannter Rezepturen bestenfalls dann erkennbar, wenn bei der Herstellung oder Applikation elementare Fehler gemacht werden. Dies gilt insbesondere für die überarbeiteten NRF. Die Arzneimittel ohne Zulassung können im Einzelfall durch die Apotheke hergestellt und in der Apotheke an den Patienten abgegeben werden. Nähere Einzelheiten regelt die Apothekenbetriebsordnung.

Die einzelnen Bedingungen des (§ 21 Abs 2 Nr. 1 AMG:

o zur Anwendung bei Menschen bestimmt
o auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung
o in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke
o in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag
o im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt
o zur Abgabe in dieser Apotheke bestimmt.


Bei häufiger Verschreibung dieser Arzneimittel, greift die Ausnahme sogenannten 100er-Regel (§ 21 Abs 2 Nr. 1 AMG), die es den Apotheken ermöglicht, limitierte Mengen von Fertigarzneimittels herzustellen. Besonders die Forderung, dass die Herstellung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke zu erfolgen hat, macht deutlich, dass eine "großtechnische" Herstellung von Vorstufen außerhalb von Apotheken nicht gewollt ist. Nochmal muss betont werden: Die Gefährdungshaftung der §§ 84 ff des Arzneimittelgesetzes ist bei diesen Arzneimitteln ausgenommen. Haftungs- und Schadensersatzansprüche können aber zivilrechtlich geltend gemacht werden.

Wichtig sind weiterhin mehrere Aspekte:

o Die Herstellung von Arzneimitteln für andere Apotheken erfordert eine Herstellungserlaubnis.

o Das Abfüllen oder die Verpackung von vorgefertigter Ware im Rahmen der 100er-Regel ist unzulässig (wesentliche Herstellungsschritte fehlen) und hebt damit die Zulassungspflicht nicht auf, womit der Straftatbestand des § 96 (5) AMG erfüllt wird.

o Das Abfüllen oder die Verpackung von vorgefertigter Ware als Rezeptur ist unzulässig (wesentliche Herstellungsschritte fehlen) und hebt damit die Zulassungspflicht nicht auf, womit der Straftatbestand des § 96 (5) AMG erfüllt wird. Inzwischen richterlich bestätigte Begründung: Es werden zur Vermeidung der Zulassung künstlich Herstellungsschritte ausgelassen.

o Ausgangsstoffe, denen kein Prüfzertifikat beigefügt sind, sind vollständig zu prüfen. Der Stand der Wissenschaft kann hier durch die Arzneibücher vorgegeben werden.

o Bei der Umwidmung von Chemikalien ist besonders Vorsicht geboten, da immer das Zertifikat fehlt, der Herstellungsprozeß oder das Beiproduktprofil sowie in der Regel die erforderlichen Analysenmethoden nicht bekannt sind.
Eine unvollständige Prüfung kann hier eine Bedenklichkeit der Substanz zur Folge haben. Die Nutzen/Risiko-Bewertung ist ermöglich, da die Bewertung des Risikos fehlen muß.

Literatur
(1) N. N., Bedenkliche Arzneimittel, Pharm. Ztg. 143 (1998) 3440?3442.
(2) Müller-Oerlinghausen, B., Wie gehen Apotheker und Arzt mit "bedenklichen Arzneimitteln" um, Dtsch. Ärztebi.. 93 (1996) C-2211.
(3) Stellungnahme der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker,. Bedenkliche Arzneimittel, Pharm. Ztg. 141 (1996) 2814?2815.
(4) AMK-Info: Bedenkliche Arzneimittel, Beschluss der AGLMB, Pharm. Ztg. 141 (1996) 3962?X098.
(5) AMK-Infos im z. Halbjahr 1997, Bedenkliche Arzneimittel, Umstrittene Arzneimittel/Nahrunfsergänzungsmittel, Pharm. Ztg. 143 (1998) 6?9.
(6) AMK-Information 293/46/97, Wann ist eine Rezeptur bedenklich, Pharm. Ztg. 142 (1997) 4103.
(7) AMK-Information 309/49/97, Bedenkliche Rezepturen: Versuch einer Klarstellung, Pharm. Ztg. 142 (1997) 4386.
(8) N. N., Verbot des Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel, Information der Apothekerkammer Nordrhein, Ausgabe 3/96, S. 7.
(9) N. N., Verschreibung bedenklicher Arzneimittel, Rundschreiben XI/3 vom November 1997 der Landesapothekerkammer Hessen, S. 3-4.
(10) N. N., Durchführung des Arzneimittelgesetzes und der Apothekenbetriebsordnung, Rundschreiben vom April 1998 der Landesapothekerkammer Hessen.
(11) Rotta, C., Vorschriften zu "bedenklichen Arzneimitteln" im Arzneimittelgesetz sind verfassungskonform, Dtsch. Apoth. Ztg. 140 (2000) 2941-2942.
(12) Hünerbein, B., und die Fachgruppe Magistralrezepturen der GD Gesellschaft für Dermopharmazie e.V. für die Teilnehmer der Konsensuskonferenz am 18. November 1998, Leitlinien zur dermatologischen Rezeptur, Pharm. Ztg. 144 (1999) 796-799

Weitere Abdrucke u. a. in Abschnitt 1.6. der Allgemeinen Hinweise zum NRF, Dtsch. Apoth. Ztg. 139 (1999) 1442-1445, Krankenhauspharmazie 20 (1999) 347-350.

Siehe auch:
www.gd-online.de
Dermatologische Magistralrezepturen - Leitlinien zur dermatologischen Rezeptur
Erarbeitet von einer Konsensuskonferenz am 18. November 1998 in Eschborn unter Federführung der Fachgruppe "Magistralrezepturen" der Gesellschaft für Dermopharmazie


nach oben


März 2001 Copyright © 2000 - 2017 ID-Institute for Dermopharmacy GmbH. Kontakt: webmaster@gd-online.de