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GD — Gesellschaft für Dermopharmazie e.V.

   
 

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Ausgabe Oktober 2000

Interview
Magistralrezepturen
Eine Domäne der Dermatologen in der Diskussion


Trotz des reichhaltigen Angebots an industriell gefertigten Präparaten gilt die dermatologische Rezeptur nach wie vor als unverzichtbarer Bestandteil der externen Dermatotherapie. In letzter Zeit ist sie jedoch erheblich in die Kritik geraten: Die dermatologisch orientierte pharmazeutische Industrie beklagt den nach ihrer Auffassung viel zu hohen Anteil unter den hautärztlichen Verordnungen und mutmaßt, dass die Rezeptur weniger aus Gründen einer besseren therapeutischen Versorgung, sondern vielmehr aus Kostenerwägungen und anderen sekundären Motiven eingesetzt wird. Außerdem häufen sich Veröffentlichungen, in denen über Qualitätsprobleme bei dermatologischen Rezepturen sowohl auf Seiten der Verordner als auch auf Seiten der herstellenden Apotheken berichtet wird.

Die Gesellschaft für Dermopharmazie hat sich dieser Problematik angenommen, indem sie in ihrer interdisziplinär besetzten Fachgruppe Magistralrezepturen Rahmenbedingungen zur Qualitätssicherung dermatologischer Rezepturen erarbeitet. Ein erstes Arbeitsergebnis waren die Ende 1998 im Rahmen einer Konsensuskonferenz verabschiedeten Leitlinien mit Grundsätzen zur Verschreibung, Herstellung und Abgabe dermatologischer Rezepturen. Anfang diesen Jahres wurde eine Hygienerichtlinie für die Herstellung nichtsteriler Zubereitungen in der Apotheke herausgebracht. Beide Papiere sind im Internet hinterlegt und können über die Homepage der GD abgerufen werden: Leitlinie Magistralrezepturen und GD Hygienerichtlinie .

Wenn die dermatologische Rezeptur auf Dauer erhalten bleiben soll, müssen die Maßnahmen zur Qualitätssicherung schnellstens in die Praxis umgesetzt werden. DermoTopics wird diesen Prozess begleiten und regelmäßig über die erzielten Fortschritte berichten. In diesem Zusammenhang sollen sowohl Befürworter als auch Kritiker der dermatologischen Rezeptur zu Wort kommen. Den Anfang macht Professor Dr. med. Max Gloor, Chefarzt der Hautklinik am Städtischen Klinikum Karlsruhe, für den die Rezeptur ein Qualitätsmerkmal des Dermatologen ist. Mit ihm führte DermoTopics das folgende Gespräch.



DermoTopics:
Herr Professor Gloor, wo sehen Sie die Notwendigkeit für Magistralrezepturen?

Prof. Gloor:
Magistralrezepturen sollten den therapeutischen Bedürfnissen vorbehalten bleiben und dort zum Einsatz kommen, wo es keine Alternative gibt. Die Verordnung einer Magistralrezeptur bedarf meines Erachtens einer objektiven therapeutischen Begründung.

DermoTopics:
Was genau sind für Sie eigentlich Magistralrezepturen?

Prof. Gloor:
Zu unterscheiden ist zwischen standardisierten und individuellen Magistralrezepturen. Standardisierte Magistralrezepturen greifen auf rational begründbare Empfehlungen in einschlägigen Veröffentlichungen, insbesondere Sammlungen von entsprechenden Empfehlungen, zurück. In Deutschland sind dies zum Beispiel das Arzneibuch, der Deutsche Arzneimittel-Codex (DAC) und das Neue Rezeptur-Formularium (NRF). Wird nicht auf derartige Vorgaben zurückgegriffen, handelt es sich um individuelle Magistralrezepturen.


„Die Verordnung
einer
Magistralrezeptur
bedarf einer
objektiven
therapeutischen
Begründung.“



Die standardisierten Magistralrezepturen sind in der Regel problemlos in der Apotheke herstellbar, und das Risiko einer schlechten galenischen Qualität ist gering. Anders ist dies bei den individuellen Magistralrezepturen: Sie erfordern vom verordnenden Arzt detaillierte galenische und pharmakologische Kenntnisse und machen es darüber hinaus notwendig, dass Arzt und Apotheker miteinander in Kontakt treten, wenn sich Schwierigkeiten ergeben. Solange der Arzt sich bei den individuellen Magistralrezepturen an publizierten Erfahrungswerten orientiert, ist auch hier die Gefahr von Inkompatibilitäten gering. Dagegen sind eigene Kompositionen, die nicht auf entsprechende Empfehlungen zurückgreifen, vorsichtig zu handhaben. Sie sind allenfalls dann indiziert, wenn das Behandlungsziel nicht anders nicht zu erreichen ist.


„Die
Magistralrezeptur
ist ein
Qualitätsmerkmal
des Dermatologen.



DermoTopics:
Wann machen Magistralrezepturen bei dem breiten Angebot an Fertigarzneimitteln wirklich Sinn?

Prof. Gloor:
Es gibt dafür eine ganze Reihe von Gründen. Beispielsweise können Wirkstoffe wie Metronidazol verarbeitet werden, die es in Spezialitäten gar nicht gibt. Außerdem gibt es zahlreiche Wirkstoffe, die man zum Beispiel bei der Behandlung der Neurodermitis in einer bestimmten Grundlage braucht. Mit einer optimalen Grundlage kann man bei der Neurodermitis außerordentlich viel erreichen. Oft lässt sich dann auf Kortikoide verzichten, oder es kann von stärkeren auf schwächere Kortikoide gewechselt werden.

DermoTopics:
Ist die Magistralrezeptur für Sie ein Qualitätsmerkmal des Dermatologen?

Prof. Gloor:
Ja, das ist sie zweifellos. Wenn ein Dermatologe die Grundlagenbehandlung nicht beherrscht, dann beherrscht er sein Fach nicht. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass bei den Spezialitäten die genaue Zusammensetzung in der Regel nicht bekannt ist. Die jeweiligen Grundlagenbestandteile sind im allgemeinen nur qualitativ, nicht aber quantitativ deklariert. Oft ist das galenische System nur unzureichend beschrieben, das heißt, es fehlen zum Beispiel Angaben zum Emulsionstyp, zum Wasseranteil oder zum Gehalt an Moisturizern.



Dies ist meines Erachtens für die Therapie der Neurodermitis völlig indiskutabel und auch eines Dermatologen unwürdig. Die Neurodermitis kann ohne den Einsatz von Magistralrezepturen nicht so optimal behandelt werden, wie es von einem Dermatologen erwartet wird. Insgesamt bieten die Magistralrezepturen dem Dermatologen einen immensen therapeutischen Handlungsspielraum. Eine Einschränkung in diesem Bereich würde dem Fach die Lebensberechtigung nehmen. Anders als in England, wo es nur rund 300 Dermatologen gibt, können Hauterkrankungen in Deutschland vom Spezialisten behandelt werden. Ein derartiges Spezialsystem hat jedoch nur dann seine Berechtigung, wenn es besser ist als die Behandlung durch einen praktischen Arzt. Dies ist aber nur dann möglich, wenn der Dermatologe alle therapeutischen Möglichkeiten seines Fachgebietes nutzt, und dazu gehört auch die magistrale Rezeptur.

DermoTopics:
Wie sieht ein aus Ihrer Sicht optimales Externum zur Behandlung der Neurodermitis aus?

Prof. Gloor:
Die Neurodermitis ist eine Domäne der individuellen Magistralrezepturen. Weder Fertigpräparate noch die standardisierten Magistralrezepturen im NRF geben alles her, was zur Behandlung der Neurodermitis benötigt wird. Für die individuellen therapeutischen Zielsetzungen gibt es Empfehlungen und geeignete Rezepturgrundlagen, die eine optimale Umsetzung ermöglichen. Bewährt haben sich wasserreiche W/O-Emulsionen mit den Moisturizern Glycerin und Harnstoff in einem bestimmten Mischungsverhältnis. Außerdem sollten Nachtkerzensamenöl und ein Antiseptikum wie Triclosan in einer antiseptisch wirksamen Konzentration enthalten sein (Rezepturbeispiele siehe Kasten).



„Die
Neurodermitis
kann ohne den
Einsatz von
Magistralrezepturen
nicht so optimal
behandelt werden,
wie es von einem
Dermatologen
erwartet wird.“



DermoTopics:
Herr Professor Gloor, wir danken Ihnen für das Gespräch.
(ghw/jk)



Individuelle Magistralrezepturen zur Behandlung der Neurodermitis (Beispiele aus einem Vortragsskript von Professor Gloor):

Beispiel 1
Beispiel 2
 
Urea
5,0
 
Urea
5,0
Glycerin 85 %
10,0
Glycerin 85 %
10,0
Nachkerzensamenöl
20,0
Triclosan
3,0
Triclosan
3,0
Nachtkerzensamenöl
15,0
Eucerinum-
W/O-Grundlage
ad 100,0
Pionier KHW Pharm
23,8
 
 
 
Acid. citr. anhydricum
0,055
Magnesiumsulfat-
heptahydrat
0,4
Aqua dest.
ad 100,0


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